Hamburg. Nach drei Spielen ohne Sieg wird in Hamburg wieder einmal über den Trainer diskutiert. Wie der HSV-Coach damit umgeht.

Das Training am Montagmorgen war nur ein paar Sekunden vorbei, als HSV-Trainer Christian Titz zum Rapport musste. Warum er nicht endlich mal mit zwei Stürmern spiele, wollte Fiete Arp am Tag nach dem schwachen 0:0 gegen St. Pauli vom verdutzten Coach wissen. Titz brauchte nur kurz, dann sagte er zu dem Dreikäsehoch im zu großen Arp-Trikot: „Wir spielen sogar mit drei Stürmern.“ Der Buttje lächelte und fragte noch nach einem gemeinsamen Foto, ehe Titz den Rückweg in die Kabine antrat.

Dass nach dem dritten Spiel in Folge ohne Sieg und ohne Tor nicht jeder Kritiker so schnell zufriedengestellt werden kann, dürfte Trainer Titz spätestens nach der Lektüre der „Bild“-Zeitung am Morgen klar gewesen sein. „Jetzt letzte Chance für Titz?“, hatte die Boulevardzeitung getitelt – und damit den roten Faden der Berichterstattung der vergangenen Tage konsequent aufgenommen. „Dieser HSV ist ein Titz“, hatte die „Bild“ nach dem 0:5 gegen Regensburg getitelt. Danach folgte: „Titz unter Druck – zwei Pleiten könnten schon sein Aus bedeuten.“

Titz wurde zur waschechten Mediendiskussion

Es war wohl der Moment, als aus der Titz-Diskussion eine waschechte Mediendiskussion wurde. „Eine Zeitung mit vier Buchstaben, die nicht Mopo heißt, hat es sich zum klaren Ziel gemacht, Christian Titz als HSV-Trainer abzusägen“, schrieb Lars Albrecht, stellvertretender Sportchef der „Morgenpost“, in einem Kommentar am vergangenen Mittwoch. Und weiter: „Die Kampagne läuft schon lange vor und hinter den Kulissen auf Hochtouren ...“

Eine Kampagne? Gegen den Trainer? Das Abendblatt fragte am Tag nach dem 0:0 gegen St. Pauli ganz direkt nach. „Ich sehe natürlich auch, was geschrieben wird“, antwortete Titz diplomatisch. Und weiter: „Die Situation ist, wie sie ist. Wenn du beim HSV Trainer bist, du verlierst ein Spiel und du gewinnst danach nicht, dann geht eben ein gewisses mediales Tohuwabohu los. Das nehme ich schon wahr.“

Wann ging das titzsche Tohuwabohu los?

Bleibt die Frage, ob das titzsche Tohuwabohu wirklich erst nach dem 0:5 gegen Regensburg vor einer Woche losgegangen ist. Und mindestens genauso wichtig: Ist die Debatte um den Trainer tatsächlich nur eine Mediendiskussion – oder haben die Verantwortlichen um Manager Ralf Becker und Vorstandschef Bernd Hoffmann ernsthafte Zweifel an der Arbeit des Coaches?

Warum Titz, der noch bis zur vergangenen Woche hinter Legende Branko Zebec der nach Punkten und Siegen erfolgreichste HSV-Coach der Clubgeschichte war, so hart kritisiert wird, beantwortet Matthias Müller, Sportchef der Hamburg-Ausgabe der „Bild“, auf Nachfrage so: „Unsere Berichterstattung über den HSV spiegelt das Ergebnis unserer Recherchen wider. Nicht mehr – und nicht weniger.“

Wer mit dem Feuer spielt, muss sich nicht wundern

Ein anderer Erklärungsansatz könnte dieser sein: Nach Informationen des Abendblatts hatte sich Titz direkt nach seiner Beförderung zum Cheftrainer die Chuzpe herausgenommen, der „Bild“ – anders als die meisten seiner Vorgänger – keine Privataudienz nach den wöchentlichen Spieltagskonferenzen zu gewähren. Was erlauben Titz?

Doch wer mit dem Feuer spielt, der muss sich bekanntlich nicht wundern, wenn es brennt. Und am Montagmittag brannte es lichterloh. In der üblichen Presserunde am Tag nach dem Spiel überraschte ein „Bild“-Redakteur Titz mit einem ziemlich harten Vorwurf zu Lewis Holtby. Demnach gäbe es Gerüchte, nach denen Holtby häufig beim Trainer sei und mit ihm die Aufstellung besprechen würde und sogar andere Spieler schlechtgeredet hätte. Titz konterte fassungslos: „Ich will das gar nicht thematisieren, weil es ein seit Langem aufgebauschtes Thema ist.“ Es sei doch ein völlig normaler Vorgang, dass er sich mit dem Mannschaftsrat austausche.

Bleibt noch eine zentrale Frage

Hintergrund der Holtby-Unterstellung: Am Nachmittag vor dem Spiel gegen St. Pauli hatte sich Titz im Anschluss an das Mannschaftstraining in der Lobby des Mannschaftshotels Elysée mit seinem Schwiegervater, seinem Sohn, Berater Markus Noack und anderen Freunden auf einen Kaffee getroffen. Mehrere Spieler sollen in der Lobby gegen 17.30 Uhr auf ein kurzes Hallo vorbeigekommen sein. Auch Angehörige wie Pierre-Michel Lasoggas Mutter Kersin waren vor Ort. Und Holtby? Der Mittelfeldmann und Christoph Moritz, die beide ebenfalls von Noack beraten werden, sollen bei der Titz-Runde auf einen kurzen Plausch geblieben sein, dabei aber laut Zeugenaussagen keinesfalls über die Aufstellung debattiert haben.

Bleibt noch die zentrale Frage, ob die ganze Debatte um Titz, der noch vor wenigen Wochen wie kein anderer für den Aufbruch des HSV stand, alleine auf eine mögliche Medienkampagne zurückgeht. Oder haben auch die HSV-Chefs mittlerweile selbst ihre Zweifel?

Fakt ist: Das Strohfeuer von außen nach der Regensburg-Klatsche blieb von Sportvorstand Becker unkommentiert, am medialen Flächenbrand nach dem Derby zündelte der Manager sogar mit. Becker kritisierte den enttäuschenden Auftritt deutlich und nahm auch explizit Trainer Titz in die Pflicht. In Darmstadt müsse man nun gewinnen, sagte der Sportchef, der genau wie HSV-Chef Hoffmann die jüngste Entwicklung mit wachsender Sorge beäugt. Dabei haben die HSV-Verantwortlichen die vielen Wechsel und die fehlende Durchschlagskraft in der teuren Offensive als hausgemachte Probleme ausgemacht. Besonders Titz’ Entscheidung, so konsequent auf Torjäger Pierre-Michel Lasogga zu verzichten, stieß in den vergangenen Wochen auf Unverständnis. Auch die fehlende Achse im Team des Absteigers ist den Chefs aufgefallen. Genauso wie das Festhalten an den formschwachen Aaron Hunt und eben Holtby.

28,5 Millionen Euro beträgt der Etat für die Mannschaft

Außer den Kölnern gibt kein Club so viel Geld für seinen Kader aus wie der HSV. 28,5 Millionen Euro beträgt der Etat für die Mannschaft, die alleine schon aus finanziellen Gründen zum Aufstieg verdammt ist. Doch genau dieses nicht verhandelbare Ziel sieht besonders Becker derzeit gefährdet.

„Es war von vornherein klar, dass wir Zeit benötigen werden, um uns zu stabilisieren“, konterte Titz. „Wenn wir diese Stabilität gefunden haben, dann sind wir davon überzeugt, dass wir auch in aller Regelmäßigkeit die Spiele für uns entscheiden können.“ Doch allzu lange, das sollte auch dem Coach klar sein, sollte sich der Trainer nicht mehr Zeit lassen, diese Stabilität zu finden.

Bereits am Freitag in Darmstadt erhoffen sich die HSV-Chefs die Wende. Ob er überhaupt noch Rückendeckung spüre, wurde Titz am Montag gefragt. „Ich spüre Rückendeckung von meiner Mannschaft“, versuchte der Trainer das sensible Thema zu umschiffen. Die nächste bohrende Nachfrage, die nächste Antwort: „Ich spüre, dass die Mehrheit der Menschen bei uns ist.“

Und der dritte Versuch, ob er sich nicht etwas mehr Rückendeckung von Sportchef Becker und HSV-Chef Hoffmann wünschen würde? Titz’ letzte Antwort des Tages: „Ganz grundsätzlich habe ich mir längst abgewöhnt, mir im Fußball irgendetwas zu wünschen.“