Fürth. Christian Titz’ Mannschaft erkämpft sich ein 0:0 in Fürth, vergibt aber zu viele Siegchancen zum Ende des Spiels

    Pierre-Michel Lasogga war nicht mehr zu halten. Völlig losgelöst lief der Stürmer nach dem Schlusspfiff vor die Ersatzbank von Greuther Fürth und formte sein Gesicht zu Grimassen. Anschließend sprang er in die Arme seines Sportchefs, ehe er sich von den mitgereisten HSV-Fans in der Trolli-Arena feiern ließ. „Niemals Zweite Liga“, sangen Spieler und Anhänger im Chor. 1594 Tage ist dieser 18. Mai 2014, der Moment der dramatischen Rettung in der Relegation, heute her.

    Der HSV von heute ist mittlerweile in der Zweiten Liga angekommen. Und das auch allmählich auf dem Papier. Vier Tage nach der heftigen 0:5-Niederlage gegen Jahn Regensburg war der HSV in Fürth gefordert, „eine Reaktion zu zeigen“, wie es Sportchef Ralf Becker formuliert hatte. Und das Vorhaben glückte zumindest teilweise. Nach 45 schwachen Minuten in der ersten Halbzeit und 45 sehr ordentlichen Minuten in der zweiten dürfen die Hamburger im ICE heute Nachmittag ein 0:0 und somit einen verdienten Punkt mit nach Hause nehmen.

    Für das angedachte Projekt Wiedergutmachung hatte Trainer Christian Titz eben jenen Lasogga auf den Platz geschickt, der noch vor vier Jahren zum Retter avancierte. Der 26-Jährige war somit vor 14.965 Zuschauern am Sportpark Ronhof Thomas Sommer, wie die Trolli-Arena heute heißt, der einzige Verbliebene des Relegationsthrillers. Die Personalie Lasogga hatte erheblich dazu beigetragen, dass Titz nach der Regensburg-Blamage in die Kritik geraten war. Zum wiederholten Male war der Toptorschütze auf die Bank rotiert. Wie schon vor einer Woche in Dresden durfte Lasogga an diesem Abend aber wieder starten. Titz erklärte: „Pierre-Michel hat vorne eine brutale Qualität. Aber das habe ich ja auch immer wieder gesagt.“

    Von diesen brutalen Qualitäten war am Donnerstag nichts zu sehen. Der HSV startete nervös und hatte Glück, dass Fürths Maximilian Wittek nach zwei Minuten mit einem Freistoß-Kracher nur die Unterkante der Torlatte traf. Anschließend war es der vorbestrafte Stürmer Daniel Keita-Ruel, der 2014 wegen dreier Raubüberfälle im Gefängnis saß, der sich dem Tor von Julian Pollersbeck gefährlich näherte.

    Dabei war der HSV nach dem Tag der offenen Tür gegen Regensburg bemüht, den Gegner möglichst weit vom Tor fernzuhalten. Und nach 15 Minuten fanden sich die Hamburger dann auch immer besser zurecht. Als die Fans nach 20 Minuten ihren Stimmungsboykott gegen den DFB beendeten, hatte der HSV längst die Spielkontrolle übernommen. Von Führt kam kaum noch Gefahr. Auch von Julian Green, der nach der Rettung vor vier Jahren in Fürth zum HSV wechselte, dort aber nur durch Selfies auffiel, war gar nichts zu sehen. Wirklich gefährlich waren die Hamburger trotz 71 Prozent Ballbesitz und 7:3 Torschüssen nach 45 Minuten nicht. Aber zumindest wirkte der HSV hochkonzentriert und schaffte es, das brisante Stadtderby gegen den FC St. Pauli in drei Tagen auszublenden.

    Trainer Titz musste in der Halbzeit umstellen. Der gelb-rot-gefährdete Douglas Santos blieb in der Kabine, für ihn rückte Gotoku Sakai nach links und Khaled Narey vom Angriff hinten rechts in die Viererkette. Trotzdem hatte der frühere Fürther gleich die beste Chance, als er mit links aus 18 Metern an Sascha Burchert scheiterte. Der HSV wurde jetzt mutiger, vor allen weil sich der eingewechselte Tatsuya Ito in die Dribblings traute. Wenig später traf Vasilije Janjicic mit einem Freistoß erstmals für den HSV, doch Stegemann entschied auf ein Foul von David Bates gegen Burchert – zumindest eine fragwürdige Entscheidung (56.).

    Und Relegationsheld Lasogga? „Es war eine zähe Angelegenheit, aber jetzt freuen wir uns auf das Derby“, sagte der Torjäger später, der diesmal nach einem schwachen Auftritt 13 Minuten vor dem Ende gegen Fiete Arp ausgetauscht wurde. Und Arp war es auch, der nur wenige Sekunden später nach einem Zuspiel des ebenfalls eingewechselten Lee-chan Hwangs die beste und letzte Chance der zweiten Halbzeit hatte – doch es blieb beim 0:0.

    Für den HSV geht es nach dem ersten Schritt der Regensburg-Rehabilitation nun darum, bis zum Derby gegen St. Pauli so schnell wie möglich zu regenerieren. Nach einer Nacht in Fürth geht es am Freitagnachmittag mit dem Zug zurück nach Hamburg. Die mitgereisten Fans, von denen die meisten noch in der Nacht zurückfuhren, formulierten ihren Wunsch schon einmal nach dem Schlusspfiff und skandierten lautstark: „Wir wollen den Derbysieg!“