Hamburg. Hamburger Basketballer zum Zweitligaauftakt 109:66 gegen Baunach, der höchste Sieg der Clubgeschichte

    3132 Zuschauer standen in der Wilhelmsburger edel-optics.de-Arena seit zwei Minuten vor ihren Sitzen, als Justin Raffington die Wartenden nach drei Fehlversuchen seiner Kollegen exakt 180 Sekunden vor Schluss erlöste, mit einem Korbleger die Punkte 100 und 101 für die Towers erzielte. Eine Kiste Bionade für das Team und, was blieb den Fans in diesem Moment anderes übrig, stehende Ovationen waren der Lohn für den Wurf ins Dreistellige. Ob die Hamburger Basketballer mit dem 109:66 (32:15, 31:11, 27:16, 19:24)-Erfolg über die Baunach Young Pikes, dem bislang höchsten der Clubgeschichte, auch leistungsmäßig in eine neue Dimension vorgestoßen sind, müssen die nächsten Spiele am Sonnabend bei den Karlsruhe Lions und eine Woche später gegen Bundesliga-Absteiger Tigers Tübingen zeigen. Immerhin gehen die Towers als erster Tabellenführer der neuen Saison in diese tierisch schweren Aufgaben.

    „Unsere jetzige Mannschaft ist sicherlich die bisher talentierteste der Towers“, meinte Center Raffington nach seinem beeindruckenden Comeback. Erstmals seit seinem Kreuzbandriss am 27. Dezember vergangenen Jahres stand der 27-Jährige wieder auf dem Spielfeld und war mit 19 Punkten hinter dem Kanadier Andrew Barham (21 Punkte) gleich zweitbester Werfer der Towers, die zuvor erst einmal, beim 111:84 gegen Hagen in der vorigen Saison, die 100er-Marke geknackt hatten. „Wir sollten diesen Sieg nicht überbewerten“, mahnte Raffington, „aber das tut ohnehin niemand von uns.“

    Baunach, das Nachwuchsteam des Bundesliga-Spitzenclubs Brose Bamberg, ist mit einem Durchschnittsalter von 18,7 Jahren das jüngste der Zweiten Basketballbundesliga ProA. Darüber hinaus fehlten vier Leistungsträger und die drei Doppellizenzspieler wie beispielsweise der gebürtige Hamburger Louis Olinde (21), der in dieser Spielzeit erstmals als Stammspieler in der Ersten Liga vorgesehen ist.

    Dennoch nährte der Auftritt der Towers die hohen Erwartungen an diese Saison, und auch Baunachs Trainer Felix Czerny hob die Hamburger („ein exzellentes Team“) in die Reihe der Aufstiegskandidaten. Mehr Zusammenspiel hatte Sportchef Marvin Willoughby von seiner neuen Mannschaft und Trainer Mike Taylor gefordert, und das Team lieferte. 26 Assists standen auf dem Statistikbogen, mehr als die Hälfe der Körbe entsprangen keinen Einzelaktionen, wurden mit Pässen der Mitspieler vorbereitet. In der vergangenen Spielzeit beklagten die Towers gerade in dieser Kategorie erhebliche Defizite. „Die Mannschaft glaubt an sich und den jeweils anderen“, lobte Taylor die verbesserte Kooperation auf den 420 Quadratmetern Spielfläche.

    Der Coach testete in den 40 Minuten verschiedene Formationen, ließ drei Spielmacher Impulse geben: 16:09 Minuten Achmadschah Zazai (31/8 Punkte), 15:40 Minuten René Kindzeka (23/11 Punkte) und 13:03 Minuten Nachwuchstalent Justus Hollatz (17/2 Punkte) bei seinem Zweitligadebüt. Mannschaftführer Zazai hatte dabei die spektakulärsten Auftritte, rief mit seinen Dribblings und Anspielen immer wieder kollektive Bewunderung auf der Tribüne hervor. „Wir haben jetzt mehrere Optionen, das macht uns weniger ausrechenbar“, sagte Taylor. Kritisieren wollte er lediglich einige Abstimmungsprobleme in der Verteidigung – und die schwache Freiwurfquote. Nur 13 der 23 Versuche (57 Prozent) saßen.

    Wie ernsthaft die Towers das Projekt Aufstieg betreiben, zeigen die eingeleiteten Maßnahmen im Umfeld. Für den Jugendbereich wurden weitere Trainer eingestellt und damit einer Forderung der Basketballbundesliga (BBL) Vorschub geleistet. Clubpräsident Thore Pinkepank, vergangenes Halbjahr Co-Trainer der ersten Mannschaft, koordiniert diese Arbeit, die Nachwuchsbundesliga (NBBL/Piraten Hamburg) wurde dem Verein angegliedert. Für ihre „sehr gute Jugendarbeit“ zeichnete die Liga die Towers erneut aus, nur die Niners Chemnitz erhielten in der ProA dasselbe Premiumprädikat.

    Der Vereinssport (Towers e. V.) wird zudem ausgebaut. Das Hamburg Towers Dance Team, die Cheerleader, sind Vizeeuropameister und sammelten am Sonnabend beim Publikum Geld für ihren Flug zur WM 2019 in Orlando (Florida). Gut 1000 Euro kamen zusammen. Und erstmals tritt auch eine Basketball-Frauenmannschaft für die Wilhelmsburger an. Sie gewann in der Bezirksliga West ihr erstes Spiel 92:40 gegen den TSV Uetersen – und übernahm die Tabellenführung.

    „Wir stoßen bei den Hallenzeiten allmählich an unsere Grenzen“, sagt Willoughby. Temporäre Räumlichkeiten im Inselpark könnten vorerst Abhilfe schaffen, bis in den nächsten Jahren die angedachte große Lösung mit einem Sportpark an der 450 Meter entfernten Dratelnstraße realisiert werden kann. Towers-Gesellschafter und -Sponsor Tomislav Karajica (Edel Optics, Imvest) betreut dieses Projekt.

    Die Sponsorengespräche werden bereits zweigleisig geführt. Interessant seien jetzt vor allem Partner, „die bereit sind, uns mittelfristig in die Erste Liga zu begleiten“, sagt Geschäftsführer Willoughby. Die BBL fordert inzwischen für die Lizenzvergabe einen Saisonetat von mindestens drei Millionen Euro. In der ProA liegt das Budget der Towers derzeit bei etwa zwei Millionen und damit um rund zehn Prozent höher als noch in der Spielzeit 2017/2018.

    2. Bundesliga ProA, 1. Sp.: Rostock – Trier 79:85, Chemnitz – Heidelberg 78:65, Hanau – Hagen 80:84, Quakenbrück – Karlsruhe, 78:67, Paderborn – Schalke 59:81, Hamburg – Baunach 109:66, Ehingen – Tübingen abgebr., Nürnberg – Kirchheim verlegt. Towers Kooperationspartner SC Rist Wedel besiegte zum Auftakt der 2. Bundesliga Nord ProB die Baskets Schwelm 93:82 (42:44).