Hamburg. Cheftrainer Mike Taylor über seine Ziele mit den Hamburg Towers, die Auswahl der Spieler und sein zusätzliches Engagement in Polen

    Die Sonne strahlt über Wilhelmsburg. Mike Taylor lacht, scherzt auf Deutsch und Englisch, er ist gut gelaunt. Das ist der neue Chefcoach der Hamburg Towers eigentlich immer – der Sieg der polnischen Nationalmannschaft, die er seit 2014 betreut, am Montag in der WM-Qualifikation gegen Kroatien und der Auftritt seines Clubteams einen Tag später im Test gegen Kooperationspartner Rist Wedel haben seinen Stimmung aber noch mal gehoben. „Alle Spieler sind fit und scheinen verstanden zu haben, wie wir Basketball spielen wollen“, sagt der US-Amerikaner, der ein Universitätsdiplom in Kommunikation hat. Am Sonnabend (19.30 Uhr/edel-optics.de-Arena) starten die Towers gegen Baunach in ihre fünfte Saison in der 2. Bundesliga ProA. Und dürfte sich Taylor (46) etwas wünschen, wäre es wohl ihre letzte: „Der Aufstieg bleibt ein Traum, dafür müssen wir es jedoch erst mal in die Play-offs schaffen. Das ist zunächst unser Saisonziel.“

    Mr. Taylor, Sie waren der Wunschkandidat von Towers-Sportchef Marvin Willoughby. Sind die Towers auch Ihr Wunschverein?

    Mike Taylor: Ich bin fasziniert von dem Potenzial des Clubs, der guten Organisation hier, von Hamburg, von den großartigen Möglichkeiten dieser Stadt. Mein Herz hängt an diesem Projekt. Ich sehe die Zukunft meiner Familie in Deutschland (Taylors Ehefrau Alice ist die Tochter des ehemaligen tschechischen Basketball-Nationalspielers Gerald Dietl, Sohn Luke/3 wurde in Deutschland geboren, die Red.). Am liebsten würde ich sehr lange in Hamburg bleiben. Ich bin ein Großstadtmensch, habe immer gern in Metropolen wie Warschau, London, New York oder Washington gelebt. Und Basketball gewinnt in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Die Strukturen sind hervorragend, alles wirkt sehr solide, und im Gegensatz zu anderen Ländern werden hier die Gehälter verlässlich gezahlt.

    Was reizt Sie, nach vier Jahren wieder ein Clubteam zu trainieren?

    Die tägliche Arbeit mit der Mannschaft, der ständige Kontakt und Austausch mit den Spielern, die Chance, ein Team zu entwickeln, die Spieler zu verbessern. Die Rahmenbedingungen für Nationaltrainer werden immer schwieriger. Es bleibt kaum noch Zeit, die Mannschaft vorzubereiten. Und Sie wissen nie, wer Ihnen zur Verfügung steht, weil es in der NBA und bei den Vereinen der Euro­League keine Abstellungspflicht gibt. Gegen Kroatien haben wir beispielsweise auf der Centerposition mit unserer sechsten und siebten Wahl gespielt.

    Sie stehen in Polen bis zum Frühjahr 2019 unter Vertrag. Wie viele Saisonspiele der Towers werden Sie verpassen?

    Wahrscheinlich keins. Wir werden die Towersspiele verlegen können, wenn ich bei der polnischen Nationalmannschaft bin. Zudem hat mein Co-Trainer Benka Barloschky (30) mein vollstes Vertrauen. Er macht einen hervorragenden Job. Sollte sich Polen für die WM im September 2019 in China qualifizieren, könnte es sein, dass ich die Mannschaft für dieses Turnier auch noch betreue.

    Können Sie die Jobs voneinander trennen?

    Wenn Sie meinen, dass mein Engagement auf der einen oder anderen Seite leiden würde, kann ich klar widersprechen. Ich spüre sogar eine gegenseitige Befruchtung. Allerdings: Als ich Dienstag von der Nationalmannschaft zurückkam und wir zusammenstanden und unseren Spruch schrien: „One, two, three – Towers!“, entfuhr mir ein „Pol­ska!“ Da mussten alle lachen.

    Sie waren von 2003 bis 2011 Trainer in Ulm, haben die Mannschaft in die Erste Liga geführt. Erkennen Sie in Hamburg ähnliche Voraussetzungen?

    Wir wollen Hamburg zur Basketball-City machen, das ist mein Antrieb. Das Potenzial dafür ist vorhanden. Die Halle ist fast immer ausverkauft, viele junge, talentierte Spieler sind zuletzt hier ausgebildet worden, die Organisation ist bereits erstklassig – das sind alles beste Voraussetzungen, um aufzusteigen.

    Die Hamburger Wirtschaft spielt aber noch nicht in dem nötigen Umfang mit. Die Towers haben bis heute keinen Hauptsponsor.

    Deshalb sollten wir mittelfristig aufsteigen, um für die Unternehmen noch attraktiver zu werden. Und ich sehe auch eine Chance für Basketball darin, dass es in Hamburg in den populären Sportarten aktuell kein Erstligateam gibt. Diese Lücke würden wir gern füllen.

    Was wird sich bei den Towers diese Saison ändern? Die Mannschaft ist zumindest von der Körpergröße kleiner als die vergangene.

    Größe ist nicht alles. Mit Jannik Freese und Justin Raffington haben wir die wahrscheinlich besten Center der Liga. Wir werden mehr Wert auf das Zusammenspiel legen, umsichtiger agieren, mit Auge spielen. Die Chemie dieser Mannschaft stimmt, und sie hat eine hohe Basketball-Intelligenz.

    Wer hat den Kader zusammengestellt?

    Das war eine Teamentscheidung. Marvin und Benka haben große Kompetenz, was die deutschen Spieler betrifft, ich war maßgeblich für die Verpflichtung der Ausländer verantwortlich. Wir haben uns über jeden Kandidaten ausgetauscht. Wichtig waren uns Teamfähigkeit, kann derjenige seine Mitspieler verbessern, ist er schon mal mit seinen Mannschaften aufgestiegen. Nur wenn wir alle von dem Spieler überzeugt waren, sind wir in Vertragsverhandlungen eingestiegen. Es ist also nicht mein, sondern unser Team. Und wir sind alle überzeugt, dass es großes Potenzial hat.

    Je öfter die Towers in der vergangenen Saison verloren, desto mehr Zuschauer kamen zu den Spielen nach Wilhelmsburg ...

    Dann wollen wir diesmal die Halle leer spielen (lacht). Im Ernst: Ich bin gekommen, um Erfolg zu haben. Und ich bin überzeugt, den werden wir haben. Wir haben aber einen langen Weg vor uns.