Hamburg/Plowdiw. Deutschland-Achter verteidigt bei Ruder-WM in Bulgarien erstmals in derselben Besetzung seinen Titel

    Martin Sauer ist ein besonnener Mensch. Das muss er sein, schließlich hat der 35-Jährige vom Berliner Ruder-Club als Steuermann die Aufgabe, dem Deutschland-Achter die optimale Renntaktik zu verordnen und diese auch durchzuziehen. Es war deshalb wenig verwunderlich, dass Sauer am Sonntagnachmittag auch 90 Minuten nach dem historischen WM-Triumph im bulgarischen Plowdiw keinerlei Spuren von Euphorie zeigte, während um ihn herum seine Gold-Crew feierte.

    „Dieser Titel ist nicht mehr oder weniger wert als andere“, sagte er, und das verwunderte, schließlich war es zum ersten Mal in der WM-Geschichte einem deutschen Paradeboot gelungen, den Titel in derselben Besetzung erfolgreich zu verteidigen. Schon 2017 in Sarasota (USA) hatte Sauer die Crew mit Schlagmann Hannes Ocik (27/Schwerin), Richard Schmidt (31/Trier), Malte Jakschik (25/Castrop-Rauxel), Jakob Schneider (24/Essen), Torben Johannesen (23/Hamburg), Maximilian Planer (27/Bernburg), Felix Wimberger (28/Passau) und Johannes Weißenfeld (24/Herdecke) zum Gold geführt.

    „Die historische Dimension mag eine besondere sein“, sagte Sauer deshalb, „aber letztlich ging es für uns darum, uns für die Arbeit einer erfolgreichen Saison zu belohnen.“ Das gelang eindrucksvoller, als es die meisten erwartet hatten. Vom Start weg setzte sich Deutschland, das nun seit der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2016 bei internationalen Großereignissen (WM, EM, Weltcup) unbesiegt ist, an die Spitze des Feldes, hatte schon nach einem Viertel der 2000-Meter-Distanz eine Bootslänge Vorsprung auf die späteren Podiumsgäste Australien (Silber) und Großbritannien und brachte diesen in 5:24,31 Minuten souverän nach Hause. „Wir sind nie unter Druck geraten und unser eigenes Rennen gefahren. Es lief wie geplant“, sagte Bundestrainer Uwe Bender.

    „Unsere Taktik, das Rennen von Anfang an zu bestimmen, ist voll aufgegangen. Ich hätte allerdings härtere Gegenwehr von unseren Gegnern erwartet“, sagte Torben Johannesen. Für den Jüngsten im Team vom RC Favo­rite Hammonia war der zweite WM-Titel deutlich werthaltiger als das Gold von Florida 2017. „Das erste Mal Weltmeister zu werden ist toll. Aber dieses Niveau zu halten und sich ein Jahr später so deutlich an der Spitze zu behaupten, das ist etwas ganz Besonderes“, sagte er. Am Abend feierte er den Titel mit seiner Familie. Die Eltern waren die ganze Woche in Bulgarien gewesen, Freundin Kristin kam für das Finale eingeflogen. Bruder Eric (30), der als Ersatzmann im Zweier ohne Steuermann zum Einsatz kam, aber wegen eines Atemwegsinfekts nicht seine Bestleistung abrufen konnte, war angesichts des brüderlichen Triumphs auch auf dem Weg der Besserung.

    Für den gesamten Kader des Deutschen Ruder-Verbands (DRV) ließ sich das nicht behaupten. Am Sonnabend hatte der Doppelvierer der Frauen mit Marie-Catherine Arnold (Hannover), Carlotta Nwajide (Hannover), Franziska Kampmann (Waltrop) und Frieda Hämmerling (Kiel) hinter Polen Silber gewonnen, mehr Medaillen gab es für den DRV in den 14 olympischen Bootsklassen nicht. „Das ist zu wenig, ganz klar“, sagte Chefbundestrainer Ralf Holtmeyer. Einer-Shootingstar Oliver Zeidler (22/Erding) belegte bei seinem WM-Debüt einen aufgrund der starken Vorleistungen etwas enttäuschenden sechsten Rang. „Ich bin schief losgefahren und habe gleich eine Leine berührt. Mir fehlt einfach noch Erfahrung, um mit den großen Jungs mitzuhalten“, sagte er. Aus Hamburger Sicht gab es abseits der Johannesen-Brüder einen vierten Rang im Para-Einer für Sylvia Pille-Steppat (50/Wilhelmsburger RC). Ruben Steinhardt (24/Hamburger und Germania RC) belegte mit dem Doppelvierer den achten Platz.

    Für Martin Sauer und seine Crew war der Saisonhöhepunkt indes noch nicht der Schlussakkord. Am Wochenende geht es beim „SH Netz Cup“ auf dem Nord-Ostsee-Kanal bei Ratzeburg noch einmal aufs Wasser, natürlich in derselben Besetzung wie bei der WM. „Das ist für die Region ein wichtiges Rennen, da heißt es noch einmal durchbeißen“, sagte Sauer. Genau diese Einstellung ist es, die Champions vom Rest des Feldes trennt.