Hamburg. Constantin Staib und Jonathan Fröschle treffen mit dem besten Hockey-Aufsteiger seit Jahren auf ihren Ex-Club

    Er muss das einmal klarstellen, gleich zu Beginn des Gesprächs, damit niemand auf komische Gedanken kommt. „Wir sind als Aufsteiger in keinem Spiel Favorit. Das wäre vermessen. Wir wissen, was wir können – und was nicht. Deshalb tut es uns gut, mit Demut an die Aufgabe zu gehen“, sagt Jonathan Fröschle. Sind also die Fronten geklärt vor dem Stadtderby in der Feldhockeybundesliga der Herren, in dem sich am Sonntag (14 Uhr, Hemmingstedter Weg) Fröschles Hamburger Polo Club und der Club an der Alster gegenüberstehen?

    Ganz so einfach, wie es Eckenspezialist Fröschle darzustellen versucht, ist die Lage natürlich nicht, sonst wäre die Geschichte nicht so groß, wie sie ist. Wenn ein Aufsteiger vier der ersten fünf Saisonspiele gewinnt und dabei mit Titelverteidiger Uhlenhorst Mülheim und den Hamburger Spitzenclubs Harvestehuder THC und Uhlenhorster HC drei Topteams besiegt, muss er damit leben, im Duell mit Alster, das aus fünf Partien fünf Zähler weniger holte, nicht als Außenseiter betrachtet zu werden. Doch selbst unter „normalen“ Vorzeichen wäre das Derby kein normales Spiel. Denn Jonathan Fröschle war viele Jahre lang im Trikot des Gegners unterwegs, er ist noch immer Mitglied bei Alster und gilt als „Urgestein“ des Traditionsclubs vom Rothenbaum. „Für mich ist das natürlich ein ganz besonderes Spiel“, gibt er zu.

    Dass der 31-Jährige in der Winterpause einige Kilometer weiter westlich in der Zweiten Liga anheuerte, lag am damaligen Alster-Cheftrainer Fabian Rozwadowski, der mit der Sonderstellung des Kapitäns nicht zurechtkam und diesen kurzerhand in Eigenregie und gegen den Willen des Teams absetzte. Fröschle ist Gentleman genug, um über die Umstände seines erzwungenen Abgangs zu schweigen. Rozwadowski kostete der Umgang mit dem allseits beliebten Rechtsreferendar am Saisonende den Job, die Folgen jedoch waren unumkehrbar. Fröschle, in Abwehr und Angriff gleichermaßen einsetzbar, trifft nun für Polo, in der laufenden Saison schon sechsmal, doppelt so oft wie Alsters beste Schützen Dieter Linnekogel und Christian Reimann.

    Doch nicht nur für Fröschle, der auf Anhieb auch bei Polo Kapitän wurde, ist das Derby eine Zeitreise in die eigene Vergangenheit. Auch Julian Hofmann-Jeckel (30), der ebenfalls im Winter gewechselt war, und Nationalstürmer Constantin Staib (23), der im Sommer nachzog, haben eine Alster-Vergangenheit. Aus Respekt vor dem Ex-Verein und den ehemaligen Kollegen schweigen auch sie über die Gründe ihrer Abgänge. Es sind deshalb die Sätze, die sie über ihren neuen Verein sagen, die tief blicken lassen. „Es ist atemberaubend, wie schnell wir in­tegriert worden sind. Das Drumherum stimmt total, die Unterstützung ist von allen Seiten riesig. Man merkt, dass hier alle gemeinsam etwas erreichen wollen“, sagt Staib, der nach dem Wechsel von den Zehlendorfer Wespen Berlin vier Jahre für Alster aktiv war.

    Auch wenn ihr neuer Verein eine andere Sportart im Namen führt – die immerhin Fröschle sogar schon einmal ausprobiert hat –, ist die Euphorie um die Hockeyherren riesig. Manch ein Hamburger Rivale rümpft im Gespräch über den Emporkömmling die Nase und verweist auf die Finanzkraft von Hauptsponsor Quantum und dem großen Pool an Unterstützern. Diese hatte es ermöglicht, Topspieler wie Staib, Abwehrorganisator Mathias Müller (von RW Köln) oder Torhüter Niklas Garst (vom Mannheimer HC) im Sommer als Verstärkungen für den Aufstiegskader zu verpflichten.

    Dennoch, sagt Fröschle, sei der Erfolg mitnichten nur auf Geld aufgebaut. „Polo geht den Weg des Neuaufbaus seit ein paar Jahren kontinuierlich. Die Mannschaft wurde sukzessive verstärkt, ohne ihre Struktur zu zerschlagen. Das hat dazu geführt, dass die Identifikation des Umfelds mit dem Team nicht gelitten hat.“ Staib sagt: „Es gab im Verein einen Plan, der wurde Stück für Stück durchgezogen. Die Homogenität, die wir als Team ausstrahlen, spiegelt wider, dass alle hinter diesem Weg stehen.“ Dafür garantiere nicht zuletzt Cheftrainer Matthias Witthaus (35), der als Rekordnationalspieler (364 Spiele) genau wisse, wie er die Spieler zu führen habe. „Er findet genau die richtige Balance zwischen Trainer- und Spielerdasein, weiß, wie er uns erreicht“, sagt Fröschle.

    Also dann: Wäre es nicht an der Zeit, das Saisonziel Klassenerhalt angesichts des großartigen Starts und der hohen Qualität in Team und Stab ambitionierter zu formulieren? „Auf keinen Fall“, sagt Fröschle, „wir sind noch nicht auf Augenhöhe mit den Großen. Unsere Qualität und der gute Start geben Sicherheit und Selbstvertrauen, aber wir wissen, wie schnell es gehen kann, dass eine Phase ohne Punkte kommt.“ Die vier Siege hätten dazu geführt, dass niemand den Polo Club unterschätzt. „Wir haben uns Respekt erarbeitet, damit müssen wir jetzt lernen umzugehen“, sagt Staib.

    Am Ende des Gesprächs sagt Jonathan Fröschle noch eine Sache, die ihm sehr wichtig ist. „Ich freue mich auf das Spiel. Und auch wenn wir nicht Favorit sind, will ich es natürlich gewinnen!“ Für den Club an der Alster dürfte das eine schlechte Nachricht sein.