Sinsheim. Deutsche Fußball-Nationalelf strahlt auch im Testspiel gegen Peru trotz guter Chancen kaumTorgefahr aus

    Es lief die 85. Minute, da wurde ein Kindheitstraum für Nico Schulz war. Und man darf dazu sagen, dass auch eine ziemlich kitschige Geschichte ihre Pointe fand. Es stand 1:1 im Testspiel der deutschen Nationalelf gegen Peru in Sinsheim. Schulz, der am Führungstreffer der Südamerikaner seine Aktien hatte, kam am Strafraum an den Ball. Es war sein allererstes Länderspiel. Schulz, der gebürtige Berliner und ehemalige Herthaner, der so lange von seiner ersten Nominierung geträumt hatte, nahm seinen Kopf hoch, schoss, und weil Pedro Gallese im peruanischen Tor am Ball vorbeigriff, rollte das Spielgerät ins Netz. Zum 2:1 für Deutschland – und zum Traumeinstand für Schulz.

    Dank des Hoffenheimer gelingt der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw ein Sieg in einem lange schwachen Spiel, das aber viele Erkenntnisse brachte. Die erste: Deutschland ist weiterhin konteranfällig, wenn nicht die erste Garde spielt. Die zweite: Deutschland macht einfach zu wenige Tore aus seinen Chancen. Nachdem die Peruaner durch Luis Advincula 1:0 in Führung gegangen waren (22.), gelang Julian Brandt zwar der Ausgleich (25.). Weil aber Schulz noch vor seinem Publikum seinen Moment bekommen sollte, konnte sich Löw über seinen 109. Sieg als Bundestrainer freuen. Es war sein 167. Länderspiel und damit ist der 58-Jährige auch offiziell der deutsche Rekordtrainer. „Man hat gespürt, dass die Mannschaft das Spiel gewinnen wollte, sie hat gekämpft bis zum Schluss. Wir haben in der ersten Halbzeit viele Chancen liegengelassen, dadurch wurde es schwerer. Durch die Wechsel war der Rhythmus ein wenig raus, in der zweiten Halbzeit haben einige Sachen nicht mehr gestimmt“, sagte Löw.

    Peru ist nicht mehr allzu weit entfernt vom ehemaligen Weltmeister. Die Südamerikaner schieden ebenfalls in der Vorrunde der WM aus. Und sie liegen in der Fifa-Weltrangliste mit Platz 20 nur fünf Ränge schlechter als die DFB-Elf. Gegen das durchaus gut organisierte Team des argentinischen Trainers Ricardo Gareca veränderte Löw seine Mannschaft im Vergleich zum 0:0 gegen den neuen Weltmeister Frankreich am Donnerstag auf fünf Positionen: Schulz durfte in seinem Heimstadion debütieren. Zudem ersetzte Marc-André ter Stegen wie abgesprochen Manuel Neuer im Tor. Julian Brandt, Niklas Süle und Ilkay Gündogan begannen ebenfalls. Für Letzteren gab es übrigens keinerlei Pfiffe – auch nicht bei seiner späteren Auswechslung. Aber das sollte auch keine Erwähnung mehr wert sein.

    Gündogan leitete dann die ersten Gelegenheit der Deutschen ein, aber Marco Reus, der erneut als zentraler Stürmer aufgeboten wurde, vergab sie (2.). In der Folge sah es dann so aus, als hätte sich da plötzlich ein Drittligastürmer als Marco Reus verkleidet. Zwei prächtige Chance vergab der Dortmunder recht kläglich innerhalb von zwei Minuten, als er jeweils fein im Strafraum freikombiniert worden war (20./21.). Unverschämt effizient waren dagegen die Peruaner. Mit ihrer ersten Chance gelang den Südamerikanern, angefeuert von wilden Trommeln und Trompeten ihrer Fans auf den Tribünen, die Führung. Schulz ließ sich von Advincula düpieren, als der 25-Jährige den Ball, den er schon gesichert glaubte, wieder verlor. Satter Hieb ins kurze Ecke. 0:1 (22.). Sollte Schulz’ Debüt etwa in die Hose gehen?

    Löws Elf machte es sich weiter nicht sonderlich einfach. Es wurden zu viele Gelegenheiten ausgelassen wie schon bei der WM. Aber es wurden sich wenigstens zahlreiche erspielt. Einmal sezierte Toni Kroos, der Neuer als Kapitän vertrat, die peruanische Abwehr so fein, dass Brandt vor Keeper Pedro Gallese auftauchte und ihn mit einem zarten Heber überwand. 1:1-Ausgleich (25.). Es war im 20. Länderspiel der zweite Treffer des Leverkusener Flügelstürmers, der diesmal für Thomas Müller beginnen durfte.

    Doch das fleißigen Chancenauslassen ging munter weiter. Timo Werner, der in der ersten Halbzeit den Außenstürmer gab, schoss Gallese an (35.). Der sehr ideenreiche Gündogan tat es ihm wenig später gleich (38.). Löw wechselte zur zweiten Halbzeit, nahm den unglücklichen Reus ebenso runter wie Jerome Boateng. Julian Draxler und Antonio Rüdiger kamen. Aber jene kurzzeitige Eingewöhnungsphase nutzte Peru sofort. Und wäre Raul Ruidiaz ebenso kühl vor dem Tor gewesen wie zuvor Advincula, er hätte die üppige Chance genutzt, als Rüdiger ihn im Strafraum abschließen ließ. Doch der Ball flog vorbei (48.).

    Peru wurde nun immer stärker. Ter Stegen fischte einen Kopfball von Pedro Aquino nach einer Ecke aus dem Eck. Danach tauchte plötzlich der ehemalige Schalker Jefferson Farfan allein von ter Stegen auf, drosch aber den Ball drüber (58.). Es war jetzt immer grotesker, wie die Gelegenheiten auf beiden Seiten missachtet wurden. Werner hätte einen Konter zur Führung abschließen müssen, aber auch der Leipziger schoss drüber (55.). Weil Löw nun seine sechs möglichen Wechsel ausschöpfen wollte, wurde es nicht besser im deutschen Spiel. Der ehemalige Schalker Thilo Kehrer und der Leverkusener Kai Havertz gaben ihre Debüts. Aber als die 85. Minute angebrochen war, sollte es der Abend des Nico Schulz werden. ​

    Deutschland: ter Stegen – Ginter (72. Kehrer), J. Boateng (46. Rüdiger), Süle, Schulz – Kimmich – Brandt (70. Petersen), Kroos, Gündogan (84. T. Müller), Werner (88. Havertz) – Reus (46. Draxler). Peru: Gallese – Advincula, Araujo, Santamaria, Trauco – Aquino, Yotun (76. Calcaterra) – Flores (67. Lopez), Cueva, Ruidiaz (86. Peña) – Farfan. Tore: 0:1 Advincula (22.), 1:1 Brandt (25.), 2:1 Schulz (85.). Schiedsrichter: Schörgenhofer (Österreich). Zuschauer: 25.494 (ausverkauft).