Hamburg. Der Hamburger Achter-Olympiasieger Eric Johannesen stellt seinen Sport in einem Alphabet vor. Was man wissen muss.

In ungewohnter Rolle ist Eric Johannesen vergangenen Mittwoch nach Bulgarien gereist. In Plowdiw startet am Sonntag die Ruder-WM, bei der bis zum 16. September 13 Frauen und 23 Männer Medaillen für Deutschland holen wollen. Der Hamburger Achter-Olympiasieger von 2012 ist nach seiner vorübergehenden Ausbootung aus dem A-Kader Ersatzathlet für den Riemenbereich. Für das Abendblatt hat der 30-Jährige vom RC Favorite Hammonia ein Ruder-Alphabet erstellt, um seinen Sport zur WM näher vorzustellen.

Achter: Hat in Deutschland einen höheren Stellenwert als in anderen Nationen, weil der Achter über die Jahre die größten Erfolge feierte.

Blasen: Nach jeder längeren Trainingspause. Wir versuchen, die Hände mit spezieller Creme weich zu halten, aber die immense Belastung kann keine Hand wegstecken. Nach ein paar Wochen ist die Hornhaut so dick, dass keine Schmerzen mehr auftreten.

Cox Box: Die Sprechanlage für den Steuermann (englisch: Cox), über die er mittels Verstärker und Mikrofon mit dem Team kommuniziert. Sie hat eine Stoppuhr und misst die Schlagfrequenz.

Dolle: Befestigung des Ruders am Boot, angebracht am Ausleger. Aus Hartplastik, aber leicht beweglich, wird mit Drehverschluss aus Metall verschlossen, damit das Ruder arretiert.

Ergometer: Neben dem Boot das wichtigste Trainingsgerät. Wir nutzen das Modell Concept 2, das Hobbysportler aus dem Fitnessstudio kennen. Zurückgelegte Standarddistanz sind zwei Kilometer, manchmal fahren wir auch sechs oder zehn. In Boston gibt es jedes Jahr eine Ergometer-WM.

Fehlstart: Gibt es im Rudern sehr selten. Passiert bei technischem Fehler oder wenn er bewusst verursacht wird, indem der Ruderer vor dem Kommando losfährt. Ein Fehlstart zieht eine Verwarnung nach sich, beim zweiten wäre man disqualifiziert.

Gig-Boote: Boote für Training und Freizeitsport, etwas breiter gebaut und daher einfacher zu handhaben. Sehr hilfreich, um das Rudern zu erlernen.

Hammonia: Mein Heimatverein und der meines Bruders Torben seit Anfang des Jahres. Mitgliederstärkster Club in Deutschland, gegründet 1854, schön gelegen an der Binnenalster mit sehr guten Trainingsmöglichkeiten.

Innenhebel: Bezeichnet die Länge des inneren Teils des Ruders, gemessen vom Athleten bis zur Dolle. Kann mittels eines Klemmrings in der Dolle verstellt werden. Größere Bootsklassen nutzen gern einen härteren, sprich: kürzeren Innenhebel, der für alle Teammitglieder gleich sein muss.

Jahresrhythmus: Im Rudern gibt es jedes Jahr EM und WM, Olympiajahre ausgenommen. Das ist wichtig, weil wir nur drei Weltcups haben und ohne die zwei großen Turniere keinen ausgewogenen Wettkampfkalender erstellen könnten.

Krebs: Wenn sich das Ruder verkantet, während man es aus dem Wasser heben will, hat man sich einen Krebs gefangen. Passiert das im Rennen, ist die Folge aufgrund des hohen Tempos oft das Kentern. Hängenbleiben kann man an einer Welle, einer Boje oder auch an Gegenständen im Wasser. Deshalb ist es wichtig, dass stark verschmutzte Gewässer wie bei Olympia 2016 in Rio vor den Rennen gereinigt werden.

Leichtgewicht: Wurde 1992 ins Olympiaprogramm aufgenommen. Vorrangig, um Athleten aus Nationen mit durchschnittlich geringerer Körperlänge mehr Chancen zu geben. Im Einer gilt das Maximalgewicht von 72,5 (Männer) und 59 Kilo. In den Teambooten liegt das Durchschnittslimit bei 70/57 Kilo.

Maximalkraft: Rudern ist ein Kraftausdauersport. Je größer die Bootsklasse, desto wichtiger die Kraft, um das Boot anzutreiben. Im Achter muss die Last von rund einer Tonne bewegt werden. Um das zu trainieren, machen wir dreimal die Woche Krafttraining mit wenigen Wiederholungen, aber maximalem Gewicht.

Niederlagen: Kommen im Deutschland-Achter selten vor, bei großen internationalen Events waren wir seit 2009 nie schlechter als Rang zwei. Meine härteste Niederlage war 2009, als ich im Finale der U-23-WM in Racice (Tschechien) mit dem Doppelvierer als Favorit Fünfter wurde. Das hat sehr wehgetan.

Olympia: Das höchste Ziel für jeden Ruderer, das steht weit über allem anderen. Wer daran einmal teilnehmen darf, hat sich seinen Traum erfüllt. Ich hatte das Glück, 2012 in London Gold und 2016 in Rio Silber zu gewinnen. Nun ist mein letztes großes Ziel, 2020 in Tokio mit meinem Bruder im Achter zu siegen.

Parallelität: Sie herzustellen ist die größte Herausforderung im Rudern, damit man sein Rennen optimiert. Erfordert sehr viel Training und das gute Auge des Trainers, der von außen das Gesamtbild sieht. Wir arbeiten per Videoanalyse daran, auch noch die letzten Zehntelsekunden Unterschied in den Bewegungen auszumerzen.

Qual: Sich quälen zu können ist für Ruderer ein Muss, um im Rennen die Leistungsgrenze überschreiten zu können. Wer einmal in diesem Tunnel war, in dem einem fast schwarz vor Augen wird und man nur noch den Vordermann sieht, kann das nachfühlen.

Riemen: Eine der beiden Disziplingruppen im Rudern. Der Athlet hat ein Ruder, das er mit beiden Händen bewegt. Man sitzt versetzt im Boot. Zweier, Vierer und Achter, gesteuert und ungesteuert, sind Riemenboote. Beim Riemen kommt es auf Parallelität an.

Skull: Die zweite Disziplingruppe, hier hat der Athlet pro Hand ein Ruder zu bewegen. Es gibt Einer, Doppelzweier und Doppelvierer. Skuller sind eher Individualisten, weil sie im Einer zunächst lernen, auf sich allein gestellt zu sein.

Taktik: Auch wenn es darum geht, am schnellsten von A nach B zu gelangen, ist Rudern auch taktisch anspruchsvoll. Manche setzen auf einen starken Start, um das Rennen von vorn fahren und so – Blickrichtung ist immer gegen die Fahrtrichtung – die Gegner im Blick behalten zu können. Andere favorisieren den starken Endspurt, weil sie sich auf ihre eigenen Stärken verlassen. Das Wichtigste ist eine Renneinteilung, die dem Charakter des Teams entspricht.

Umfang: Wir trainieren zwischen 20 und 25 Stunden pro Woche, fahren 150 bis 200 Kilometer. Dazu kommen drei Krafteinheiten die Woche, Stretching und Stabilitätsübungen, dazu Ausgleichssport wie Laufen oder Fußball.

Verwarnung: Schiedsrichter am Land und auf dem Wasser achten auf die Einhaltung der Fahrordnung. Wer sie verletzt, wird verwarnt, und das ebenfalls bei Missachtung der Kleiderordnung oder bei einem Fehlstart. Zwei Verwarnungen bedeuten den Ausschluss.

Wetter: Je kälter es ist, desto langsamer ist auch das Wasser. Die größte Rolle spielt der Wind. Ab einer bestimmten Wellenhöhe ist das Boot nicht mehr steuerbar, dann werden die Wettkämpfe abgesagt.

X-Faktor: Die Kraft der Athleten wirkt entgegengesetzt zur Fahrtrichtung. Passt einer nicht auf, können große negative Kräfte entstehen. Deutlich leichtere Sportler können deshalb schneller als die starken Jungs sein, weil sie ihre Kraft ökonomischer und effektiver einsetzen. Das ist die große Unbekannte, der X-Faktor, in unserem Sport.

Yanakiew: Vorname Ivo, bulgarischer Ruderer, der 2004 WM-Bronze im Einer holte. Bulgarien als Ausrichter der WM ist für mich Neuland als Aktiver. Als Zuschauer war ich bereits in Plowdiw, als mein Bruder bei der U-23-WM gestartet ist. Die Strecke ist schnell, schön gelegen und nicht allzu windanfällig.

Ziel: Jeder Athlet braucht ein Ziel, auf das er hinarbeitet, um das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Zum anderen ist es der Bereich, in dem die Qual endet. Der Weg dorthin ist hart, deshalb ist man als Athlet erleichtert, wenn man die Ziellinie überquert. Stimmt das Ergebnis, setzt das die Endorphine frei, die man braucht, um sich auch das nächste Mal wieder quälen zu wollen.