München. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft präsentiert sich zum Nations-League-Auftakt gegen den Weltmeister als homogene Einheit

    So ganz sicher konnte man sich ja nicht sein, wie dieser Abend wohl enden würde. Als Neuanfang war die Nations-League-Partie am Donnerstagabend in München gegen Weltmeister Frankreich ausgerufen worden. Aber einer, bei dem auch die Gefahr bestand, von der Raffinesse des Gegners überrollt zu werden. Für den nach dem WM-Vorrundenaus in seiner Position geschwächten Bundestrainer Joachim Löw hätte es dann eng werden können. Doch dieser Sorge entledigte sich der deutsche Fußball beim 0:0 gegen den Titelträger. Applaus verabschiedete die Spieler aus der Arena. Mission Wiedergutmachung recht erfolgreich gestartet.

    Löw versetzte dem bislang in seinem Ausmaß eher belächelten Neuanfang mit der Aufstellung noch ein beträchtliches Signal. Und zwar jenes, dass es eben nicht genau so weitergeht wie bisher. Dass sehr wohl signifikante Veränderungen vorgenommen werden, zumindest wenn es nötig erscheint. Dies war gegen den Weltmeister mit seiner offensiven Brillanz ganz offensichtlich der Fall. Der Bundestrainer stärkte jedenfalls die beim WM-Debakel noch allzu naive Defensive, indem er eine Viererkette aus Innenverteidigern (Ginter, Boateng, Hummels, Rüdiger) installierte. Vier Ochsen. Vier Schränke.

    Ein Modell des Pragmatismus, das sich bei der WM 2014 so lange einem gegnerischen Erfolg in den Weg stellte, bis der eigene Triumph feststand. Die Renaissance der deutschen Schrankwand bereicherte Löw im Mittelfeld mit einem Dreierensemble, in dem Joshua Kimmich das überraschendste Element war. Seine Spielintelligenz und Ballsicherheit sollte dem Team jene Balance verleihen, die der Bundestrainer als so wichtig für den Neustart erachtet.

    Zumindest zunächst konnte Löw ein für ihn recht erfreuliches Fazit ziehen. Jenes nämlich, dass die französischen Stars um Kylian Mbappé, Antoine Griezmann und Olivier Giroud tatsächlich keine einzige Chance herausspielten und sich – noch viel besser – auch keine sonderlichen Möglichkeiten dazu auftaten, die sie leichtfertig verspielt hätten. Löw hatte versprochen, dass Willen, Feuer und Bereitschaft zu sehen sein würden an diesem Abend. Und er behielt recht. Die deutschen Spieler warfen sich lustvoll in die Zweikämpfe und liefen Lücken zu, die bei der WM noch schmerzvoll klafften.

    Doch die Hünen-Taktik hat auch ihren Preis, weil Innenverteidiger für gewöhnlich nicht sonderlich eindrucksvoll im Dribbling sind oder fein flanken können. Als Beispiel taugte der Versuch von Antonio Rüdiger, der sich zu aller (auch seiner) Überraschung als allerdings harmloser Torschuss entpuppte. Deutsche Chancen waren also ebenfalls rar. Aber das ist bei dieser Taktik für Spiele, die in erster Linie nicht verloren werden sollen, eingepreist.

    Timo Werner, der zusammen mit Marco Reus und Thomas Müller ein stets die Positionen tauschendes Offensivtrio bildete, gelang nach 18 Minuten der erste Torschuss für eine der beiden Mannschaften. Doch seinen Versuch parierte Alphonse Areola. Kurz darauf verlängerte Rüdiger einen Eckstoß auf Mats Hummels, der aber über das Tor köpfte (35.).

    Die Deutschen hatten mehr Ballbesitz, Frankreich aber dann bis zur Halbzeit doch die besseren Chancen. Torwart Manuel Neuer musste sich in die Torecke werfen, als Giroud wuchtig köpfte (36.). Einen Freistoß von Mbappé entschärfte Neuer im Stehen (43.) und Girouds Hackentrickschuss fehlte es bedrohlich nah am deutschen Tor an der nötigen Präzision (45.+1). Frankreich wirkte auch nach der Pause technisch besser. Was nicht nur, aber auch am aufregenden Mbappé lag, der mit seinem irrwitzigen Tempo immer wieder Räume und damit Gefahr schaffte. Griezmann kam im Strafraum zum Abschluss, aber Neuer hielt (49.).

    Es war die Zeit, in der die schöne Neuanfangsstimmung etwas zu kippen drohte. Die Mannschaft war mit einer riesigen Herzchen-Choreographie auf der Tribüne empfangen worden. Nun wurde Toni Kroos ausgepfiffen, weil er einen möglichen Konter nicht schnell genug ausspielte (55.), Thomas Müller für seinen etwas bemitleidenswerten Distanzschuss mit Raunen bedacht (61.)., Ilkay Gündogan bei seiner Einwechslung mit Pfiffen bedacht (66.). So ganz ohne Altlasten ging der Neuanfang also auch nicht vonstatten.

    Doch die Begeisterung der 67.485 Zuschauer ließ sich ebenso schnell wieder herbeispielen. Flanke Ginter, Schuss Reus, doch Areola hielt prächtig (64.). Der französische Schlussmann erwies sich nun als unüberwindbar. Mats Hummels versuchte sich bei einem Konter (72.), Ginters Kopfball nach Ecke flog gefährlich aufs Tor (75.). Kein Tor geschossen, keins kassiert. Nicht verloren. Darauf mag Löw aufbauen.

    Deutschland: Neuer – Kimmich, Boateng, Hummels, Rüdiger – Ginter – Goretzka (66. Gündogan), Kroos – Müller, Reus (83. Sané) – Werner.Frankreich: Areola – Pavard, Varane, Umtiti, Hernandez – Pogba, Kanté – Mbappé, Griezmann (80. Fekir), Matuidi (86. Tolisso) – Giroud (66. Dembélé).Schiedsrichter: Orsato (Italien). Zuschauer: 67.485 (ausverkauft). Gelb: Rüdiger.