New York. Philipp Kohlschreiber schaltet bei den US Open Alexander Zverev aus. Auch Kerber in Runde drei gescheitert

    Ivan Lendl blickte mit der üblichen Grimmigkeit drein, als sich sein neuer Schützling Alexander Zverev wieder einmal selbst zerlegte. Lendl – alias „Ivan, der Schreckliche“ – hat immer diesen Gesichtsausdruck drauf, es gibt fast nur diese finstere Miene bei ihm, aber am Sonnabendabend passte das vortrefflich zum Geschehen auf dem Louis-Armstrong-Court der US Open, zu Zverevs gallenbitterer 7:6 (7:1), 4:6, 1:6, 3:6-Niederlage gegen den deutschen Veteranen Philipp Kohlschreiber (34/Augsburg). Zwei Turnierspiele lang hatte sich Zverev einigermaßen souverän durchs Feld gespielt, ehe im Duell mit seinem Daviscupkollegen die vermeintlich krampflösende Grand-Slam-Wirkung durch Neuzugang Lendl wieder dahin war. „Ich habe das ganze Match nie gut gespielt“, sagte der 21 Jahre alte Hamburger nach der Pleite, die sein Majorjahr vorzeitig beendete.

    Kohlschreibers sehr guter bis herausragender Auftritt war das eine in diesem innerdeutschen Zweikampf, Zverevs fehlende Antworten auf den schlauen, ausgefeilten Vortrag des Älteren das andere. Der Vergleich mag ungerecht sein: Aber wer in den vergangenen Tagen die Matches von Rafael Nadal (32/Spanien) gegen den Russen Karen Chatschanow (22) oder von Roger Federer (37/Schweiz) gegen den erratischen Australier Nick Kyrgios (23) erlebte, der sah auch noch die Distanz, die zwischen den Superstars der Branche und Zverev bei den vier wichtigsten Turnieren der Saison liegt. Nadals unermüdlicher Kampfgeist, seine Matchhärte waren ebenso imponierend wie Federers brillante Strategie und kühler Kopf. Dagegen wirkte Zverevs Spiel noch ziemlich unausgereift, eindimensional, nicht ausbalanciert.

    Muss man Zverev schon gegen den Matador oder den Maestro aufrechnen? Offenbar schon, wenn man Lendls Verpflichtung als Beleg nimmt. Sie darf durchaus so interpretiert werden, dass Zverev noch zu aktiven Zeiten der alten Titanen in Reichweite der Majortitel kommen will. Mit Lendl wolle er den „nächsten Schritt gehen“, sagte Zverev über den neuen Zuchtmeister. Aber der nächste Schritt ist von riesigem Maß, eher sind es noch viele kleinere Schritte, die da zu gehen sind. Die Anspruchshaltung hinter dem Lendl-Transfer ist groß, die Fallhöhe des Scheiterns auch. Oft hat man den Eindruck, dass Zverev – neben vielen Experten in der Branche – ganz vergisst, dass er erst 21 Jahre alt ist. Und noch nicht zwingend Grand-Slam-Turniere gewinnen, sondern weiter harte, konsequente Aufbauarbeit betreiben muss. Bleibt die Frage: Kommt Lendls Engagement zu früh oder doch im genau richtigen Moment, dann, wenn es ein Langzeitprojekt wäre?

    Zverev fiel gegen Kohlschreiber nicht nur der starken Mentalität und spielerischen Technik des routinierten Bayern zum Opfer. Es war über ganz weite Strecken erneut ein Kampf gegen sich selbst, gegen die Anspannung, den Erwartungsdruck, die neue Last, sich unter Lendls Augen beweisen zu müssen. Fahrig und nervös wirkte Zverevs letztes Gastspiel auf der US-Open-Bühne, wie ein zerbrechlicher Riese mutete er in der zweitgrößten Arena an; immer latent in der Gefahr, die Kontrolle übers Match und das eigene Temperament zu verlieren. Im vierten Satz schien der gebürtige Hamburger mit Wohnsitz Monte Carlo noch einmal einen großen Dreh in diesem Duell inszenieren zu können, er führte 3:0, war einem 2:2-Satzausgleich nahe. Nur um dann die letzten sechs Spiele allesamt zu verlieren, in einem irritierenden spielerischen und mentalen Auflösungsprozess.

    Und nun, wer hätte es gedacht, ist Kohlschreiber, der „ältere Herr“, wie er sich selbst bezeichnete, tatsächlich der letzte deutsche Mohikaner bei den US Open – nach dem Rausschmiss von Zverev und dem Abschied von Wimbledonsiegerin Angelique Kerber (30/Kiel), die der Slowakin Dominika Cibulkova (29) mit 6:3, 3:6, 3:6 unterlag. Am Montag geht es für den 34-Jährigen gegen Japans Ass Kei Nishikori (28) – und dabei im fünften Anlauf auch um den ersten Viertelfinalvorstoß in New York. „Die Reise könnte noch ein Stückchen weitergehen“, sagte Kohlschreiber. Wenn er so spielt wie gegen Zverev, dann ist diese Hoffnung nicht vermessen.

    Kerber gibt wieder einmal das Match aus der Hand

    Kerber schmerzte ihre Niederlage, das musste sie nicht betonen, ihre traurigen Augen sprachen für sich. Erst als die beste deutsche Tennisspielerin Bilanz ziehen sollte nach dem bitteren Ende ihres Grand-Slam-Jahres, kehrte Leben in ihr blasses Gesicht zurück. „Meinen Sieg in Wimbledon kann mir immer noch niemand nehmen“, sagte die Weltranglistenvierte, „nach meinem Krisenjahr 2017 hatte doch niemand gedacht, dass ich jemals wieder so eine Saison spielen kann. Ich bin stolz, dass ich unter die Top fünf zurückgekommen bin. Dass wieder ein kleines Loch kommen wird, war doch klar.“

    Das Loch tat sich 49 Tage nach ihrem Wimbledonsieg gegen die flinke Cibulkova, die 2016 das WTA-Saison­finale in Singapur gegen Kerber gewonnen hatte, auf. „Ich habe alles probiert, aber sie war mutiger und hat das Spiel in die Hand genommen“, sagte Kerber. Warum ihr zum wiederholten Male der Schwung nach dem ersten Satz verloren gegangen war, konnte sie nicht erklären.