Fast 60 Prozent der Deutschen haben laut einer Umfrage den Glauben an Joachim Löw verloren. Wer am Mittwoch den Ausführungen des Bundestrainers zu seiner Analyse des WM-Scheiterns lauschte, der wird nicht unbedingt bekehrt worden sein. Ja, der 58-Jährige trat selbstkritisch und entschlossen auf. Doch was in München fehlte, war eine wirklich detaillierte Zukunftsvision, wie der deutsche Fußball, der sich an seiner selbst so lange sattsah, bis die internationale Konkurrenz an ihm vorbeizog, wiedererstarken soll. Aber vielleicht kann man das auch nicht erwarten vor der versammelten Weltöffentlichkeit. Es bleibt zu hoffen, dass es den Masterplan gibt und dass es kein Weiter-so mit etwas mehr Demut wird.

    Es ist gerade populär, Löw die Fähigkeit zum erfolgreichen Neustart abzusprechen. Er hat mit einer gewissen Entrücktheit und einigen Fehlentscheidungen selbst dafür gesorgt, dass die Leute ihm nicht mehr ohne Bedenken ihre Nationalelf anvertrauen. Aber er hat bis zum Totalschaden von Russland auch zwölf Jahre lang fast ausschließlich gute Arbeit gemacht. Entscheidend wird sein, dass Löw aus dem Scheitern neue Kraft zieht, wie es ihm 2012 gelungen ist, als er bis zum verlorenen EM-Halbfinale gegen Italien vornehmlich ein Trainer für das schöne Spiel war, 2014 dann aber den Pragmatismus entdeckte, mit dem er Weltmeister wurde.

    Pragmatisch zu sein bedeutet jetzt, auf die vorhandenen Spieler wie Thomas Müller und Toni Kroos zu setzen. Bessere gibt es im Moment nicht in Deutschland. Um sie herum braucht es den Mut zur Jugend. Dann ist es nicht ausgeschlossen, dass es wieder aufwärtsgeht mit Löw und dem deutschen Fußball.