Dortmund. Dortmunds neuer Trainer Lucien Favre ist nur schwer zufriedenzustellen. Auch nach dem Sieg gegen Leipzig hatte er noch viel zu kritisieren

    Das Mienenspiel von Lucien Favre ließ nichts erkennen von den Glücksgefühlen, die ihn irgendwie doch überkommen haben mussten. Auf Anhieb Tabellenführer nach dem 4:1 (3:1) gegen RB Leipzig, wunderbare Treffer, ein Top-Startelfdebüt von 20-Millionen-Mann Axel Witsel – da skandierten die schwarz-gelben Fans unter den 80.000 Zuschauern im Dortmunder Stadion: „Spitzenreiter, Spitzenreiter, hej, hej.“

    Doch Perfektionist Favre ließ keinen Zweifel daran, dass ihn sein erstes Bundesliga-Spiel nach 1072 Tagen noch lange beschäftigen wird. „Es gibt viele Sachen zu korrigieren, viele taktische Sachen. Darüber brauchen wir jetzt nicht zu sprechen, das dauert Stunden“, meinte der Schweizer. „Viele, viele kleine Details“ wolle er unter die Lupe nehmen. Favre gab zu, dass das Spiel „schon gut für uns gelaufen“ sei.

    Vor allem mit Blick auf die erste halbe Stunde war diese Beschreibung der Vorgänge noch nett untertrieben. Selten wurde der BVB im eigenen Stadion so vorgeführt. „Sie waren besser als wir, sie waren schneller, besser in den Zweikämpfen“, sagte Favre und gab sich wohltuend demütig. Höheres Pressen, Mittelfeldbeherrschung, Konterspiel, Ballkontrolle – alles soll nun auf den Prüfstand.

    Dass das Spiel nach dem Blitztor durch Jean-Kevin Augustin nach 31 Sekunden noch zugunsten des BVB kippte, lag maßgeblich an zwei Spielern: Torwart Roman Bürki, der mit zahlreichen Glanzparaden überragte, und Axel Witsel. Der 20-Millionen-Mann verwandelte den Dortmunder Hühnerhaufen als umsichtiger Dreh- und Angelpunkt vor der Abwehr im Laufe des Spiels in ein zumindest einigermaßen sattelfestes Gebilde.

    „Er bringt uns ein wenig Ruhe im Spielaufbau. Das beherrscht er sehr gut. Und er macht auch Tore“, sagte Favre über den Belgier, „sehr schöne Tore“. Nach dem überlebenswichtigen Ausgleich in der Nachspielzeit im Pokal in Fürth (2:1 n.V.) war es am Sonntag ein sehenswerter Seitfallzieher zum 3:1 (43.).

    Witsel schwärmte von den „positiv verrückten“ BVB-Fans, inhaltlich hielt er sich nach dem Spiel zurück, auch er traute dem Braten wohl noch nicht so recht. Vorher hatten Mahmoud Dahoud (21.) mit seinem ersten Treffer im 36. BVB-Pflichtspiel und Marcel Sabitzer per Eigentor (40.) das Spiel für die Gastgeber gedreht, ehe Marco Reus (90.+1) den Schlusspunkt setzte.

    Weil trotz der vier Tore im Dortmunder Angriff viel Leerlauf herrschte, gilt als sicher, dass der BVB noch mal auf dem Transfermarkt tätig wird. Paco Alcacer (24) vom FC Barcelona soll die Offensive beleben. „Es gibt nichts zu vermelden“, meinte Sebastian Kehl, neuer Leiter der Lizenzspielerabteilung: „Es muss passen. Wir machen nur Dinge, von denen wir absolut überzeugt sind.“

    Auch Leipzigs Trainer und Sport­direktor Rangnick wird wohl noch mal einkaufen, im Gespräch ist unter anderem Flügelstürmer Ademola Lookman (20) vom FC Everton. Dieser war in der vergangenen Rückserie ausgeliehen worden. Laut Rangnick „glühen die Drähte im Hintergrund“, er wolle sich aber voll auf das entscheidende Play-off-Spiel zur Europa League am Donnerstag gegen Sorja Lugansk und das folgende Ligaspiel gegen Fortuna Düsseldorf konzentrieren, in denen Zugänge „eh keine Rolle“ spielen. Zudem ging es Rangnick wohl ähnlich wie Favre: Die Mogelpackung wird ihn noch eine Weile beschäftigen. „Wir haben uns selbst um den Lohn eines richtig guten Spiels gebracht“, sagte er.