Hamburg. Bronzemedaille für deutsche Damen zum Abschluss der Rollstuhlbasketball-WM. Förderkonzepte müssen reformiert werden.

Gleich nach der Siegerehrung für den neuen Herrenweltmeister Großbritannien noch am Sonntagabend begann der Abbau. Die Inselparkhalle wird wieder eine „normale“ Sporthalle, die Ausstellungszelte verschwinden, der Crêpe-Stand und die große Bühne im Park ebenso wie die Active Area mit den Mitmachangebote für Menschen mit und ohne Einschränkungen. Natürlich verschwindet auch die kleine Halle, die sich zu einem Hexenkessel entwickelt hatte. Ende dieser Woche dann werden alle Spuren der Rollstuhlbasketball-WM in Wilhelmsburg beseitigt sein, und es bleiben nur Erinnerungen an die laut Weltverband „beste WM aller Zeiten“.

Gewinn gegen China

„Der Hammer, krass, unglaublich, geil“ – die Superlative sprudelten aus den deutschen Damen nur so heraus, nachdem sie am Sonnabend mit einem dramatischen 44:43 (23:28)-Sieg gegen China Bronze gewonnen und damit für das emotionale Happy End eines „großartigen Turniers“ (Kapitänin Mareike Miller) gesorgt hatten. Mit einem Freiwurf hatte die Hamburgerin ihr Team erst 24 Sekunden vor der Schlusssirene in Führung gebracht, 1500 Zuschauer tobten. „Es war ein großartiges Gefühl, das Spiel entscheiden zu können“, strahlte die 28-Jährige. Danach: „Defense! Defense!“ Und als 2,1 Sekunden vor Schluss eine Chinesin zu lange in der Angriffszone stand, war es geschafft.

Sie fielen sich in die Arme, legten sich Deutschlandfahnen um die Schultern, die Hamburgerin Anne Patzwald hatte sogar eine HSV-Flagge aufgetrieben, Bundestrainer Martin Otto herzte Assistentin Janet McLachlan und alle Betreuer. „Die Medaille ist eine tolle Belohnung für ein tolles Turnier“, sagte der 55-Jährige.

Andere sind Vollprofis

Er wusste, dass gar nicht mehr möglich war, zu weit sind andere Nationen enteilt. Die Spielerinnen vom neuen Champion Niederlande und Vizeweltmeister Großbritannien sind als Profis beim Verband angestellt. Die deutschen Spieler und Spielerinnen sind überwiegend berufstätig. „Es wird irgendwann schwierig, wenn man gegen Vollprofis spielt“, sagte Patz­wald, „solch eine Förderung wie die Niederlande hätten wir auch gerne.“

Die wichtigen taktischen Formationen und „Rollwege“ im Spiel lassen sich mit wöchentlichem Training der Nationalteams besser automatisieren, auch die Fitness der deutschen Mannschaften reichte nicht aus, um ganz oben dabei zu sein. „Wir haben da Nachholbedarf bei Damen und Herren“, sagte Otto, „wir müssen Möglichkeiten erarbeiten, damit wir auch auf Dauer konkurrenzfähig bleiben.“

Platz 13 der Herren große Enttäuschung

Bei den Herren scheint der Zug bereits abgefahren. Platz 13 ist eine große Enttäuschung. Bundestrainer Nicolai Zeltinger ist aufgefordert, ein Konzept abzuliefern, wie der Anschluss an die Weltspitze geschafft werden kann. Im nächsten Jahr steht bei der Europameisterschaft in Polen für beide Teams die Qualifikation für die Paralympics 2020 an, ein Platz unter den ersten vier ist nötig. Das wird kein Selbstgänger, vor allem nicht für die Herren.

Die Botschaft ist klar und gilt für Rollstuhlbasketball ebenso wie für zahlreiche andere „Amateursportarten“: Es muss mehr Geld in den Sport fließen. „Die Professionalisierung des internationalen paralympischen Sports zwingt uns, unseren Athleten die Möglichkeit zu geben, unbeschwert von Arbeitsverpflichtungen ihren Sport zu betreiben“, sagte Friedhelm Julius Beucher (72), der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS). Jeder einzelnen Spielerin fiel der langjährige SPD-Politiker nach dem „kleinen Finale“ um den Hals.

Frage des Geldes

Sein Job ist es, bei den Gesprächen mit dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages und dem Bundesinnenministerium über die Leistungssportförderung noch mehr Mittel locker zu machen. Einen Bedarf von zwei Millionen Euro hatte der DBS für seine Sportarten angemeldet, 830.000 Euro hatte er bei einer Aufstockung im Juli bekommen. Wie viel dabei beim Basketball ankommt, wird nicht mitgeteilt. Kritiker sprechen von einem „Gießkannenprinzip“, andere befürchten, dass Medaillen gezählt werden. Rollstuhlbasketball wäre dann schlechter dran als Schwimmen oder Leichtathletik.

Mehr Sponsoren aus der Wirtschaft sind aber auch nötig. Da muss man nur bei Hamburgs BG Baskets im HSV fragen, die mit den Spitzenclubs aus Wetzlar oder Elxleben finanziell nicht mithalten können. „Wir müssen Möglichkeiten schaffen, dass wir gleiche Chancen haben“, sagte auch die dritte Hamburger Medaillengewinnerin Maya Lindholm, „das wird schwer, aber Werbung haben wir gemacht.“

Mehr als 60.000 Zuschauer

Mehr als 60.000 Menschen haben den Weg in den Inselpark gefunden, darunter allein 10.000 Schüler, die so direkt etwas über Inklusion gelernt haben. „Ich bin begeistert von dem großen Zuschauerzuspruch“, bilanzierte WM-Geschäftsführer Anthony Kahlfeldt, dessen Konzept voll aufgegangen ist. Die Unterstützung der Stadt, die drei Millionen Euro zum Fünf-Millionen-Etat beisteuerte, hat auch ideell gestimmt. Viele Politiker kamen, Bürgermeister Peter Tschentscher besuchte das Finale. Es war ein elftägiges Fest des Rollstuhlsports. Was davon übrig bleibt, muss die Zukunft zeigen.

Frauen, Finale: Niederlande – Großbritannien 56:40 (31:20). Männer, Finale: Großbri­tannien – USA 79:62 (38:33). Um Platz 3: Australien – Iran 68:57 (29:31).