Hamburg. Weil sich Neuzugang Jairo Samperio schwer verletzt hat, muss der HSV wohl doch noch tätig werden

    Die Kaderplanung des HSV war hochoffiziell abgeschlossen. Acht Tage vor dem Ende der Transferfrist analysierte Ralf Becker am Donnerstagvormittag vor einigen Medienvertretern, warum der Club keinen Spieler mehr abgeben oder verpflichten wolle. „Grundsätzlich sind wir fertig, aber bis zum 31.8. halten wir einfach mal die Augen auf. Aber so wie wir aufgestellt sind, sind wir zufrieden“, sagte der Sportvorstand des HSV, als ein plötzlicher Schrei Becker zusammenzucken ließ. Nur 20 Meter weiter krümmte sich der Spanier Jairo Samperio auf dem Rasen des Trainingsgeländes, verzog das Gesicht vor Schmerzen und hielt sich das rechte Knie.

    Die herbeigeeilten Mitspieler ahnten sofort, dass sich der Flügelspieler schwer verletzt haben musste. Lewis Holtby winkte hektisch einen medizinischen Betreuer heran, Fiete Arp konnte gar nicht hinsehen und schlug sich die Hände über dem Kopf zusammen. Linksverteidiger Douglas Santos, dem der Vorstand am Vorabend ultimativ mitgeteilt hatte, dass er in dieser Saison nicht mehr wechseln darf, sackte zu Boden. Und auch Becker, der die Interviewrunde wegen des Zwischenfalls unterbrochen hatte, eilte auf den Unglücksraben zu, streichelte ihm aufmunternd über den Kopf und wünschte ihm gute Besserung. „Das sieht nicht gut aus“, sagte Becker zu den Reportern, als er zurückkehrte. Und Beckers böse Vorahnung sollte sich wenige Stunden später bestätigen: Nach einer Untersuchung im UKE bestätigte der Club am Nachmittag eine Schädigung beider Kreuzbänder und des Innenbandes im rechten Kniegelenk. Anfang kommender Woche soll Samperio bereits operiert werden. Im schlimmsten Fall droht dem Neuzugang, der nur für ein Jahr unter Vertrag genommen wurde, das vorzeitige Saisonaus.

    Vorstandsbeschluss: Santos muss beim HSV bleiben

    Doch was war überhaupt passiert? Samperio war nach einem Kopfballduell mit dem bei den Profis aushelfenden U-21-Talent Fabian Gmeiner unglücklich aufgekommen und hatte sich dabei das Knie verdreht. „Das ist natürlich ein Schock. Vor allem für ihn tut es mir unheimlich leid. Wir werden alles dafür tun, um ihn in der schweren Reha-Phase bestmöglich zu unterstützen“, sagte Sportvorstand Ralf Becker, der direkt nach der Einheit das Gespräch mit Christian Titz suchte. Natürlich müsse man sich nun noch einmal Gedanken machen, sagte der Trainer, der die eigentlich abgeschlossene Kaderplanung nach Samperios Kniefall nun doch wieder intensiveren will. Stand jetzt stehen Titz nach Samperios Verletzung und der Verleihe von Filip Kostic an Eintracht Frankfurt nur noch Tatsuya Ito, Khaled Narey, der angeschlagene Bakery Jatta sowie Nachwuchstalent Arianit Ferati für die Flügelpositionen im Mittelfeld zur Verfügung. Besonders der Abgang Kostic’, der am Montag einen Zweijahresvertrag in Frankfurt unterschrieben hatte, schmerzt den HSV plötzlich sehr.

    Am meisten tut den Verantwortlichen allerdings das persönliche Schicksal Samperios weh. Dem früheren Mainzer droht nun ein ähnliches Schicksal wie Ex-HSV-Spieler Bjarne Thoelke, der im vergangenen Sommer nach Auslaufen seines Vertrag in Karlsruhe für ein Jahr in die Hansestadt gewechselt war. Nach einer guten Vorbereitung verpasste der Verteidiger wegen eines Innenbandrisses das erste Saisondrittel. Wegen weiterer Verletzungen stand er keine Minute auf dem Rasen. Inzwischen spielt Thoelke in der österreichischen Bundesliga bei Admira Wacker – und kommt dort auch zum Einsatz. Samperios unglücklicher Aufprall weckte aber auch Erinnerungen an Nicolai Müller, der sich ziemlich genau vor einem Jahr nach seinem Führungstor im ersten Saisonspiel gegen Augsburg beim Jubeln das Kreuzband riss. Neun Monate später gab Müller am 33. Spieltag in Frankfurt (0:3) sein Comeback gegen den Club, zu dem er nach dem Abstieg mit dem HSV gewechselt ist.

    Für die Hamburger ist Samperios schwere Verletzung nun bereits der dritte Kniefall in dieser Spielzeit. Auch die beiden Innenverteidiger Gideon Jung und Kyriakos Papadopoulos fehlen dem Neu-Zweitligisten jeweils wegen eines Knorpelschadens bis Anfang nächsten Jahres. Und während Becker nach dem Ausfall der beiden Abwehrspieler gezwungen war, noch einmal nachzurüsten und schließlich Léo Lacroix vom französischen Erstligisten St. Étienne verpflichtete, wird sich der Sportvorstand wohl oder übel auch diesmal erneut auf dem Transfermarkt umsehen müssen. „Wir müssen schauen, was möglich ist“, kündigte Becker am Ende des Gesprächs mit den Journalisten an, den Markt bis zum 31. August doch wieder mehr im Blick zu behalten. „Sehr bitter, das alles“, sagte Becker noch – und verabschiedete sich.