Frankfurt AM Main. An diesem Freitag startet die 56. Bundesligasaison mit der Partie zwischen Meister München und Hoffenheim

    Ansgar Brinkmann, der weiße Brasilianer, der in Erster und Zweiter Liga fast 400 Spiele machte, war um einen flotten Spruch noch nie verlegen. „Kinder, die in diesem Sommer eingeschult werden, kennen nur den FC Bayern als Meister. Da ist die Kindheit schon am Arsch“, hat der 49-Jährige jetzt gesagt. Ein flotter Spruch, na klar, aber eben auch ein Fakt. Wer als fußballbegeisterter Knirps eine Stecktabelle pflegt, der kann ganz oben das FCB-Emblem lassen. Seit sechs Jahren thronen die Münchner nun über dem Rest der Liga.

    Dass die Bayern spätestens im Frühjahr die Schale sicher haben, ist nicht nur für die Liga schädlich, sondern auch für sie selbst. Ohne den fordernden Wettbewerb gelang es den Münchnern zuletzt nicht mehr, den Schalter in den entscheidenden K.-o.-Spielen umzulegen. Der Spannungsabfall nach dem Ausscheiden im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid war offensichtlich.

    Alle anderen Vereine waren zu diesem Zeitpunkt längst in die Zuschauerrolle gezwungen. Das Abschneiden in den Europapokalwettbewerben kam einem Fiasko gleich. In der vergangenen Saison sammelten die österreichischen Clubs in Champions League und Europa League im Schnitt fast genauso viele Punkte wie die deutschen. Lange haben die Verantwortlichen bei dem sich abzeichnenden Abwärtstrend noch geschwiegen oder beschwichtigt.

    War es nicht so? 2013 erlebte die Königsklasse ein flirrendes Finale der deutschen Schwergewichte Bayern München und Borussia Dortmund, 2014 gelang einem hungrigen DFB-Ensemble unter Anleitung des Fußballlehrers Joachim Löw der Weltmeistertitel. Und nebenbei war seine Mannschaft ein Sinnbild für gelungene Integration. All das ist mit der WM 2018 zusammengestürzt wie ein Kartenhaus.

    Auch wenn Fans ihrem Club gewiss nicht den Rücken kehren, weil Nationalspieler in Russland dilettiert haben, ist die gegenseitige Wechselwirkung nicht zu unterschätzen. Das DFB-Team ist das Aushängeschild – und entsprechend gern hat sich die Bundesliga als Weltmeisterliga geriert. Dieses Prädikat trägt die nächsten vier Jahre die Ligue 1 in Frankreich, die auch in Sachen Talentförderung, Ausbildung im Juniorenbereich vorbeigezogen ist. Wie gefährlich diese Entwicklung wird, zeigt der Blick auf die UEFA-Fünfjahreswertung, die für die Verteilung der Europapokalstartplätze maßgeblich ist.

    Spanien ist uneinholbar enteilt, aber auch England und Italien liegen klar vor Deutschland. Die nächsten Jahre könnten die Franzosen vorrücken – und beim Überholmanöver hätte die Bundesliga statt vier fixen Startern in der Königsklasse auf einmal nur noch drei oder zwei. Solchen Szenarien gilt es entgegenzuwirken, zumal die Champions League eine enorme Einnahmequelle ist, die den Status quo in Europa die nächsten Jahre verfestigen, vielleicht sogar zementieren wird.

    Auch war die Aufarbeitung des WM-Desasters mit den hochrangigsten Vereinsvertretern am Dienstag in der DFL-Zentrale so wichtig, um nicht nur der Nationalmannschaft – in der Weltrangliste auf Platz 15 abgerauscht – wieder auf die Sprünge zu helfen. Hernach hieß es: „Um die Entwicklung des deutschen Fußballs wieder auf Weltniveau zu bringen.“ Zuvorderst DFL-Chef Christian Seifert bangt darum, dass das amateurhafte Tun der DFB-Vertreter auf die in der Vermarktung hochprofessionell aufgestellte Liga abstrahlt.

    Dabei bietet die Bundesliga Woche für Woche laut Seifert so viel: den Menschen die perfekte Ablenkung von den Alltagssorgen. Und einen hohen Grad an Emotionen. Das stimmt fraglos. Und doch sieht ein Stadionerlebnis oft so aus: tolle Stimmung, bunter Rahmen, einigermaßen Spannung, ordentlicher Einsatz – aber spielerische Armut. Hinten gut stehen, vorne hilft der liebe Gott – oder ein Standard. So kamen ja auch bei der WM die meisten Teams weiter. Wer taktische Feinheiten gepaart mit virtuoser Technik bei einem offenen Schlagabtausch sucht, schaute oft ins Leere.

    Einen attraktiven Spielstil will nun Ralf Rangnick bei RB Leipzig wieder hoffähig machen, der als ungeduldiger Lehrmeister noch mal ein Jahr auf der Trainerbank sitzt. Der Visionär beim Brauseclub hat verdeutlicht, wie sehr das Geld die Spielersuche bestimme. Um an die Besten heranzukommen brauche es mehr Kapital, die nach seiner Ansicht über den Wegfall der 50+1-Regel zugeführt werden solle. Diese Sperrklausel wollten aber die 36 deutschen Profiklubs nicht kippen.

    Rangnick stellte nun die grundsätzliche Frage: „Was wollen wir? Weiter unsere Tradition pflegen? Dann werden wir als Liga irgendwann dort landen, wo der eine oder andere Traditionsclub leider schon gelandet ist: auf dem Friedhof der Erinnerung.“

    Doch so einfach ist das nicht. Zumal der Einstieg von Investoren auf größerer Front noch mehr Proteste der Basis bedingen würde. Die Aufkündigung des Fandialogs dieser Tage ist ein schwerer Schlag für das Miteinander. Die Zeitenwende in der Bundesliga, hin zu höherer Attraktivität allein über den Weg neuer Geldquellen zu erzwingen, könnte eine Sackgasse sein. Und aufs Spiel setzen, was die Bundesliga derzeit in Europa einzigartig macht: Dass ihre Anhängerschaft unerschrocken Gewehr bei Fuß stehen. Im großen Teil sogar unabhängig vom Gegner, Wetter oder Anstoßzeit. Und in Hamburg sogar unabhängig von der Liga.