Frankfurt/M. Krisentreffen mit den Fußballverbänden DFB und DFL sowie den Clubbossen der Bundesligisten

    An der Ecke Guiollettstraße und Ulmenstraße im feinen Frankfurter Westend war schnell zu erahnen, dass Ungewöhnliches vor sich ging. Übertragungswagen belegten die Gehsteige, Fotografen und Kamerateams lungerten vor Hausnummer 48. Blitzlichtgewitter, als Bundestrainer Joachim Löw und DFB-Präsident Reinhard Grindel eintrafen. An ihrem Gefährt prangte der bunte EM-Slogan der deutschen Bewerbung für 2024: „United by Football. Vereint im Herzen Europas.“

    Drei Stunden dauerte die Aussprache mit Führungskräften von fünf Clubs und Vertretern der DFL-Kommission Fußball. Mit dabei alle, die in der Liga was zu sagen haben: Karl-Heinz Rummenigge (Bayern), Hans-Joachim Watzke (BVB), Christian Heidel (Schalke), Max Eberl (Mönchengladbach), Jörg Schmadtke (Wolfsburg), Rudi Völler (Leverkusen), Michael Preetz (Berlin).

    Bezeichnenderweise traten Verbandschef Grindel und Ligapräsident Reinhard Rauball am frühen Abend gemeinsam vor die Kameras, um zuerst Bundestrainer Joachim Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff „das Vertrauen“ auszusprechen. Grindel sprach vom „intensivsten Austausch der jüngeren Vergangenheit“. DFL und DFB würden an einem Strang ziehen. Motto: Schulterschluss statt Schuldzuweisung. Dabei erfolgte die Rückendeckung ja erst nach allerlei Ränkespielen.

    Nachdem die Nationalmannschaft ihre eigenen Grundwerte teils mit Füßen trat und hernach ihre Verantwortungsträger alles nur noch schlimmer machten, wollen die Profivertreter solch amateurhaftes Tun nicht mehr dulden. Die DFL legte in ihrer Mitteilung Wert darauf, dass vereinbart wurde, in „dieser Besetzung in absehbarer Zeit erneut zusammenzukommen, die Kommunikation miteinander zu optimieren, konkrete Felder für eine Zusammenarbeit zu identifizieren und Verbesserungen zu beschließen“. Und auch bei der Strukturdebatte lässt speziell DFL-Chef Christian Seifert nicht locker: Der Dialog über effizientere Prozesse im Hause des DFB werde weitergeführt. Mit Nachdruck vermutlich.

    Quintessenz: Nur mit Ligahilfe kann der Neuanfang der Nationalelf gelingen. Die Bundesligisten sehen aber auch sich selbst in der Verantwortung. Deren Sportchefs wissen um das Nachwuchsproblem. Und an dieser Stelle sind mehr die Nachwuchsleistungszen­tren unter Hoheit der Clubs als die Juniorennationalmannschaften unter DFB-Obhut gefordert. Löw („Wir brauchen wieder echte Spezialisten auf manchen Positionen“) wird solche Aspekte in seiner Analyse sicherlich vertiefen, von der im Detail am Freitag zuerst das DFB-Präsidium erfahren wird, ehe sich der Bundestrainer am kommenden Mittwoch der Öffentlichkeit stellt. Dann gibt Löw auch seinen Kader fürs erste Länderspiel zum Neustart bekannt, wenn es am 6. September in München zum Auftakt der Nations League gegen Weltmeister Frankreich geht.

    Dass viele Clubs bei der Spielersuche in der Transferperiode vorwiegend im Ausland fündig wurden, ist ein weiteres Indiz für nachlassenden Zufluss an deutschen Talenten. Die sportlichen Probleme greifen direkt in die Schnittstelle zu den wirtschaftlichen Interessen: Wenn die Nationalmannschaft auf einmal als Zugpferd ausfällt und das Prädikat „Weltmeisterliga“ zum Nachbarn wandert, schrillen die Alarmglocken. Uli Hoeneß (FC Bayern) ist die Verselbstständigung der DFB-Vermarktungsmaschinerie ohnehin seit Längerem ein Dorn im Auge.

    Hier will die Liga rote Linien ziehen. Zwar hatte der Abnabelungsprozess in der Bierhoff-Ära auch viel Gutes, aber irgendwann führte „Die Mannschaft“ – spätestens mit Erfindung dieses Markennamens – ein Eigenleben. Dass Grindel seinen mächtigsten Direktor Bierhoff genau an diesem Punkt angezählt hat, um sich öffentliche Zustimmung zu holen, kam nicht überall gut an. Wie es hieß, hängt für den DFB-Boss weiterhin alles daran, wie in einem Monat die Abstimmung über die EM-Vergabe 2024 ausgeht.