Hamburg. Rollstuhlbasketball-Profi Kai Möller trifft bei der WM mit Deutschland im Achtelfinale auf Großbritannien

    Am Montag stand noch einmal Analyse an. Bundestrainer Nikolas Zeltinger quälte seine Mannschaft mit Videos, ging in die Teambesprechung. Das Wochenende für die deutschen Rollstuhlbasketballer bei der Heim-WM in Wilhelmsburg war dann doch anders gelaufen als erhofft – viel schlechter. Zwei Niederlagen gegen den Iran und Kanada mussten aufgearbeitet und das schwere Achtelfinale (Di, 11.45 Uhr) gegen Großbritannien vorbereitet werden.

    „Wir müssen es jetzt schaffen, unser bestes Spiel zu bringen“, sagt Zeltinger. Bei einer Niederlage gegen den Medaillenfavoriten von der Insel wäre das Minimalziel Viertelfinale verpasst – und der Traum von der erfolgreichen Heim-WM würde zu einer großen Enttäuschung werden.

    Auch für Kai Möller. „Natürlich wollten wir die stärksten Gegner im Achtelfinale vermeiden“, sagt der Center, „jetzt müssen wir eine absolute Topleistung bringen. Es ist schwer, aber ich glaube daran.“ Immerhin kann man bei ihm tatsächlich von einem Heimvorteil sprechen. Zwei Jahre hat der 27-Jährige zuletzt für die BG Baskets im HSV in der edel.optics.de Arena in Wilhelmsburg gespielt,

    An seine Basketball-Anfänge erinnert sich Möller gar nicht mehr so genau. „So mit neun Jahren“, meint er, habe er die Idee gehabt, Basketball-Profi zu werden. Da hat er auf dem Schulhof daheim in Ellingstedt bei Schleswig auf die Körbe geworfen, wann immer es ging. Wieder und wieder. „Ich hatte das Spiel im Fernsehen gesehen und mir gesagt: Das will ich machen.“

    So kam es dann. Auch wenn seine Eltern darauf bestanden haben, dass er was „Ordentliches“ lernt. Also Schule fertig machen und die Lehre zum Einzelhandelskaufmann abschließen. Bei seinem Sport haben sie ihn trotzdem immer unterstützt, den Teenager zum Training nach Kiel gefahren und nach Flensburg. Als er 17 war, ging Kai Möller zum HSV und zu Trainer Holger Glinicki. Der echte Einstieg. 2010 hat er seinen ersten Vertrag in Zwickau unterschrieben, spielte danach in Italien und Kaiserslautern, bevor er 2016 den Weg zurück nach Hamburg fand.

    Möller ist kein Unfallopfer wie manche seiner Mitspieler oder gar ein „Fußgänger“. Er ist mit einer Fehlbildung der Wirbelsäule geboren. Für einen Spieler mit der Klassifizierung drei ist er ungewöhnlich groß und kräftig. Das verbessert seinen „Marktwert“. „Wir wollen uns physisch verstärken“, sagt Andreas Jonek, der Manager des RSV Lahn-Dill, „damit bringt Kai genau das mit, was wir brauchen.“ Ab dem Sommer spielt Möller beim deutschen Rekordmeister aus Wetzlar, der die Professionalisierung des Sports in Deutschland vorangetrieben hat. In den Thuringia Bulls aus Elxleben hat der RSV seit einigen Jahren nun aber ernsthafte Konkurrenz bekommen.

    Auch der HSV wollte noch vor zwei Jahren gemeinsam mit Hauptsponsor BG Klinikum Hamburg ganz oben angreifen und holte den norddeutschen „Jung“ Möller neben weiteren Stars aus Großbritannien, den USA und Japan nach Hamburg. „Es war eigentlich mein Bestreben, lange hierzubleiben. Die Idee war, oben mitzuspielen, und wir hatten ein Jahr lang auch ein Bombenteam“, sagt Möller.

    Zerplatzte Träume. Schon vor der vergangenen Saison reichte der Etat nicht mehr, um ganz oben mitzuhalten, nachdem die Klinik ihre finanzielle Unterstützung gekürzt und sich vor allem auf infrastrukturelle Hilfe konzentriert hatte. Als der Anruf aus Wetzlar kam, musste Möller deshalb nicht lange überlegen. „Ich habe mich sehr darüber gefreut“, gibt er zu, „Lahn-Dill hat andere sportliche Ziele, als es jetzt in Hamburg möglich ist. Und ich möchte mich immer weiter verbessern.“

    Auch in Mittelhessen bekommt er eine Wohnung gestellt, optimale sportliche Betreuung und natürlich weiterhin die Sporthilfe. Bis zu zehn Trainingseinheiten in der Woche wird es geben, in Hamburg waren es meist fünf. „Kai ist ein ehrlicher Arbeiter ohne Allüren, der Ziele hat und sich weiterentwickeln will“, lobt Möllers neuer Chef Joneck.

    Selbstverständlich bekommt Kai Möller auch in Wetzlar Geld für seinen Sport. Er ist Profi – so, wie er das als Neunjähriger schon werden wollte. „Man kann davon gut leben“, sagt er, „aber es ist natürlich nicht mit den Dimensionen in großen Sportarten wie Fußgängerbasketball, Handball oder Eishockey zu vergleichen.“ Vom Fußball ganz zu schweigen. „Über das Gehalt rede ich nicht“, sagt Kai Möller und lacht, „aber ausgesorgt nach der Karriere hat bei uns niemand.“

    Nur dass er nun wieder 400 Kilometer weiter weg von zu Hause ist, von seinen Eltern, die in Hamburg jedes Spiel geschaut haben, von seinem Bruder und seiner Nichte, die ein Geschwisterchen erwartet, das schmerzt ein wenig. Ist aber nicht zu ändern: „Das ist der Preis, den man als Profi zahlen muss.“ Aber noch, noch ist er im Norden, in Hamburg, und hat an diesem Dienstag ein großes, schweres Spiel zu spielen. Seine Familie wird ihn dabei unterstützen – so wie immer in seiner Karriere.