Hamburg. Der Fünftligist hält eine Sensation gegen die Hamburger für nahezu unmöglich, freut sich aber bereits vor dem Pokalspiel auf ein „Traumlos“

    An das Leimbachstadion in Siegen hat Christian Titz ganz spezielle Erinnerungen. Es war der 19. September 1999, als der heutige HSV-Trainer sein vorletztes Spiel als aktiver Fußballer bestritt. Mit dem SC Idar-Oberstein verlor der damalige Mittelfeldmann das Regionalliga-Spiel bei den Sportfreunden Siegen mit 0:5. Zwei Wochen später war die aktive Karriere des heute 47-Jährigen beendet.

    Fast 20 Jahre später tritt Titz erneut in Siegen an. In der ersten Runde des DFB-Pokals spielt der HSV heute (18.30 Uhr/Sky) beim Oberligisten TuS Erndtebrück, der für das große Spiel gegen die Hamburger in das 30 Kilometer entfernte Siegen zieht, weil der Kunstrasen im heimischen Pulverwaldstadion nicht dem Pokalstandard genügt. Mit Shuttlebussen werden die Menschen aus der 7100-Einwohner-Gemeinde Erndtebrück anreisen. Der Regionalliga-Absteiger rechnet dort mit mindestens 15.000 Zuschauern. 18.500 Plätze bietet das alte Leimbachstadion. Mindestens 4600 Fans aus Hamburg werden den HSV begleiten. Erndtebrück kann sich auf die größte Kulisse der Vereinsgeschichte freuen.

    „Das Los ist mit das Beste, das wir hätten bekommen können“, sagt Dirk Beitzel, der Leiter der Fußballabteilung des Turn- und Sportvereins 1895. „Was der HSV an Fans mobil macht, ist schon sensationell.“ Da braucht wahrlich kein Neid aufzukommen auf den benachbarten TSV Steinbach Haiger, der den FC Augsburg zugelost bekam. Einen Bundesligaclub zwar, der aber nur 500 Anhänger mitbringt. „Von daher ist unser Los ein Traum“, sagt Beitzel.

    Der TuS ist in der Vorsaison in die fünftklassige Oberliga abgestiegen und die Mannschaft eine völlig andere als jene, die noch im April im Halbfinale des Westfalenpokals sensationell beim Drittligisten Sportfreunde Lotte gewann. Nach dem Abstieg, sagt Beitzel, bewege man sich wieder in einer ganz anderen Welt. In der Regionalliga hatten die Gegner so klangvolle Namen wie Alemannia Aachen, Rot-Weiß Oberhausen und Rot-Weiss Essen. Oder Mäzene wie Franz-Josef Wernze, der Viktoria Köln mit aller Macht in den Profußball führen will. „Da können wir als Dorfclub finanziell nicht mithalten.“ Im Aufgebot von Erndtebrück stehen gleich acht Studenten, zwei Schüler und ein Lehrling. Auch ein Polizist ist dabei. Eine Sensation gegen den HSV? „So gut wie unmöglich“, sagt Beitzel, der selbst seit bald 30 Jahren als Produktionsleiter beim wichtigsten Geldgeber des Clubs arbeitet: dem Erndtebrücker Eisenwerk, einem Weltmarktführer in der Herstellung von Stahlgroßrohren.

    Beitzel hat den HSV am Mittwoch beim Testspiel gegen die Bayern (1:4) im Fernsehen gesehen. „Da ist richtig Qualität in der Mannschaft.“ Die eigene Generalprobe ging gründlich daneben: 2:3 zum Ligastart gegen Nachbar und Mitabsteiger Sportfreunde Siegen. Aus dem Landespokal ist man auch schon ausgeschieden: Beim Klassenkonkurrenten ASC 09 Dortmund gab es eine 1:4-Niederlage. Da kann es gegen den HSV nur eine Taktik geben: hinten mauern und auf Konter lauern. „Vielleicht geht ja doch was“, sagt Beitzel. Wenn nicht, bleibt ein Riesenerlebnis in Erinnerung. Und eine satte Einnahme. Das Geld ist schon verplant: Es soll für einen neuen Kunstrasen zurückgelegt werden.

    Und der HSV? Der will eine Blamage mit allen Mitteln verhindern. „Wir gehen mit der richtigen Spannung in das Match rein“, sagte Titz vor seiner Rückkehr nach Siegen. Damit er künftig mit besseren Erinnerungen an das Leimbachstadion zurückdenkt.

    Erndtebrück: Schünemann – Mißbach, Hunold, Hilchenbach, Schmitt, Terzic – Reichert, Tomita – Rösch, Ruzgis, Böhmer.HSV: Pollersbeck – Sakai, Ambrosius, van Drongelen, Santos – Janjicic – Narey, Mangala, Holtby, Ito – Arp.Schiedsrichter: Robert Kempter (Sauldorf).