Hamburg. Rick van Drongelen ist mit 19 Jahren der neue Abwehrchef. Der Innenverteidiger spricht über die großen Generationen seines Heimatlandes

    Rick van Drongelen hatte am Donnerstagmorgen gute Laune. Trotz der 1:4-Niederlage am Abend zuvor gegen den FC Bayern München lachte der Niederländer. Schließlich durfte er mit seinen Kollegen zur Regeneration eine Runde Fußballtennis spielen. Aber auch sonst hat van Drongelen derzeit jede Menge Spaß. Am vergangenen Sonntag erzielte er beim 3:0-Sieg in Sandhausen sein erstes Tor für den HSV. Der 19-Jährige ist nach den Verletzungen von Gideon Jung und Kyriakos Papadopoulos der neue Chef in der Hamburger Abwehr. Und auch bei der Niederlage gegen die Bayern überzeugte van Drongelen. Als er in einer Szene seinen Landsmann und Idol Arjen Robben robust zur Seite räumte, jubelte die gesamte Nordtribüne im Volkspark. Der Innenverteidiger ist auf dem besten Weg, der neue Publikumsliebling des HSV zu werden.

    Herr van Drongelen, als Jugendspieler haben Sie noch auf der Position von Arjen Robben gespielt. Wie sind Sie zum Innenverteidiger geworden?

    Rick van Drongelen: Es stimmt, dass ich früher Stürmer war. Ich war schon damals in der Jugend groß und physisch stark. Es war aber gar nicht so einfach, in unserer Provinz einen guten Verein zu finden. Es gab nur den bekannten Amateurclub Jeugd Voetbal Opleiding Zeeland. Mit dem haben wir gegen Topteams wie Feyenoord und Sparta Rotterdam oder PSV Eindhoven gespielt. Mit 13 bin ich zu Sparta gegangen. Da habe ich im linken Mittelfeld gespielt. Und dann kam Michael Reiziger.

    Der frühere niederländische Nationalspieler?

    Genau. Er hat als Spieler mit Ajax Amsterdam die Champions League gewonnen. Bei Sparta war er Trainer der U 17. Er hat damals meinem U-16-Trainer gesagt, er soll mich in der Innenverteidigung spielen lassen. Ein Jahr später war ich dann sein Kapitän. Dann kam schnell die Einladung in die Junioren-Nationalmannschaft. Mit 16 Jahren durfte ich direkt in die Profimannschaft von Sparta. Seitdem bin ich Centrale Verdediger, wie wir sagen.

    Was hat Reiziger in Ihnen gesehen?

    Er hat wohl gesehen, dass ich am besten bin, wenn ich das Spiel vor mir habe. Wenn ich alles überblicken kann. Ich war schnell und körperlich stark. Dazu kam, dass ich schon als Jugendspieler viel gesprochen habe. Davon gab es nicht so viele in der Jugend. Reiziger war dann auch Co-Trainer, als ich zu den Profis kam. Er war sehr wichtig für mich, auch weil er meine Qualitäten als Innenverteidiger erkannt hat.

    Was ist für Sie die wichtigste Eigenschaft als Innenverteidiger?

    Verteidigen (lacht). In Holland achten wir immer darauf, dass die Innenverteidiger auch ein gutes Aufbauspiel haben. Für mich ist das Verteidigen aber das Wichtigste. Genau wie das Stellen und Coachen meiner Nebenleute. Die Verantwortung als Innenverteidiger ist groß. Wir sind die Ersten, die den Ball haben und die Letzten, die die Stürmer stoppen müssen.

    Übernehmen Sie gerne Verantwortung?

    Du musst als Innenverteidiger viel sprechen und Kommandos geben, dadurch übernimmst du automatisch Verantwortung. Ich habe das schon immer gerne auf dem Feld gemacht, habe früh Verantwortung übernommen.

    Mit 19 sind Sie jetzt der Abwehrchef beim HSV. Sind Sie nicht noch ein wenig zu jung für diese Rolle?

    Das Alter ist nicht entscheidend. Ich bin noch sehr jung, aber ich spiele jetzt schon meine vierte Saison im Profifußball, habe schon viel erlebt. Mit Sparta sind wir erst aufgestiegen, dann ein Jahr darauf fast abgestiegen. Dann kam leider der Abstieg mit dem HSV. Ich habe gelernt, dass du mit dem Kopf immer bei dir sein musst. Ich weiß, was im Profifußball und besonders auf meiner Position gefragt ist.

    Die Niederlande bilden traditionell gute Innenverteidiger aus. Haben Sie dafür eine Erklärung?

    Gute Frage. Viele Innenverteidiger aus Holland setzen sich bei Topclubs durch. Aktuell zu sehen bei Virgil van Dijk in Liverpool, Matthijs de Ligt bei Ajax Amsterdam oder Patrick van Aanholt bei Crystal Palace. Ich denke Holländer haben traditionell eine gute Mentalität, die für Innenverteidiger wichtig ist.

    Auch der HSV hat gute Erfahrungen gemacht mit Innenverteidigern aus den Niederlanden. Nico Hoogma, Khalid Boulahrouz, Joris Mathijsen. Haben Sie diese Spieler in Hamburg verfolgt?

    Nico Hoogma kenne ich gut, aber nicht mehr als Spieler. Er ist jetzt Sportdirektor beim Verband. Mit seinem Sohn Jus­tin, der bei Hoffenheim als Innenverteidiger spielt, habe ich in den U-Teams oft gespielt. Boulahrouz habe ich in der Nationalmannschaft gesehen, als ich noch klein war. Ich erinnere mich noch, wie er bei der WM 2006 im Achtelfinale gegen Portugal auf Cristiano Ronaldo getroffen ist und ihn schon nach sieben Minuten hart angegangen ist. Ronaldo musste noch vor der Halbzeit raus. Und Boulahrouz später mit Gelb-Rot.

    Sind Sie ein ähnlicher Spielertyp?

    Boulahrouz war deutlich härter (lacht). Mathijsen habe ich nicht mehr spielen gesehen. Ich wusste aber von vielen, auch von Eljero Elia, dass der HSV ein super Club ist. HSV und Holländer, das passt offenbar gut zusammen.

    Vo​nwelchem holländischen Verteidiger haben Sie sich am meisten abgeschaut?

    Ganz klar von Jaap Stam. Ich habe seine Dokumentation gesehen. Er hat immer hart und professionell gearbeitet. Das sagen auch Ryan Giggs und Paul Scholes, die bei Manchester United mit ihm gespielt haben. Alle hatten Angst vor ihm, auch im Training.

    Und international? Welcher Verteidiger ist Ihr Vorbild?

    Giorgio Chiellini. Natürlich kann ich mir auch von Sergio Ramos oder Raphael Varane viel abgucken. Aber Chiellini ist ein ähnlicher Typ wie ich. Er kann auch links in der Dreier- oder Viererkette spielen. Ich schaue mir oft Videos von ihm an. Ein Trainer bei Sparta hat mir ab und an Bilder von ihm gezeigt, wie er sich verhält auf dem Platz. Er antizipiert viel, schaut immer was seine Mitspieler machen. Er verliert seinen Gegner nie aus den Augen. Das beeindruckt mich. So wie Chiellini möchte ich auch irgendwann spielen.

    Konnten Sie sich auch bei Kyriakos Papadopoulos etwas abschauen?

    Ja. Papa hat mir immer viel geholfen hier beim HSV. Er war auch schon mit 16 Profi. Wenn er sieht, was ich als junger Spieler verbessern muss, hat er es mir immer gesagt und mir Lösungen aufgezeigt. Ich konnte viel von ihm lernen und tue das immer noch.