Berlin. Der erst 18 Jahre alte Schwede Armand Duplantis bezwang sein großes Vorbild

    Armand Duplantis blickte ungläubig auf den Bildschirm. Dort wurde noch einmal sein Sprung über 6,05 Meter gezeigt, mit dem der erst 18 Jahre alte Schwede bei der Leichtathletik-EM in Berlin soeben den Titel im Stabhochsprung gewonnen hatte. Erst in diesem Moment realisierte Duplantis, wie hoch der Sprung tatsächlich gewesen war und wie viel Abstand da noch zwischen ihm und der Latte war.

    Der Stabhochspringer pustete einmal kräftig durch, dann sagte er: „Wow!“ Treffender kann man seinen Auftritt im Olympiastadion nicht zusammenfassen. Gleich dreimal hatte er im Verlauf des Wettkampfes seinen bisherigen U-20-Weltrekord von 5,93 verbessert, jeweils im ersten Versuch. Zum ersten Mal überquerte er die Sechs-Meter-Marke und schaffte mit 6,05 Meter schließlich sogar einen neuen Meisterschaftsrekord.

    Im Freien ist überhaupt nur Sergej Bubka (Ukraine/6,14) höher gesprungen als er. „Ich hoffe, ich wache morgen früh auf, und es ist immer noch wahr“, sagte Duplantis. Eigentlich ist seine ganze Karriere ein einziger Traum. Bereits mit vier Jahren sprang er mit einem Besenstiel aufs heimische Sofa. Mit sieben Jahren stellte er den ersten Weltrekord in seiner Altersklasse auf, viele weitere folgten. Armand Duplantis stammt aus einer Stabhochsprung-Familie: Sein Großvater sprang 1958 noch mit Stahlstäben über 3,80; die Bestleistung seines Vaters Greg Duplantis, einem Amerikaner, liegt bei 5,80. Das große Vorbild des neuen Europameisters ist jedoch der Franzose Renaud Lavillenie.

    In seinem alten Kinderzimmer hing ein Poster von Lavillenie, im Bücherregal steht bei ihm zu Hause dessen Autobiografie, handsigniert vom Weltrekordhalter höchstpersönlich. „Als ich mit Stabhochsprung anfing, habe ich mich technisch sehr stark an ihm orientiert“, sagt Armand Duplantis, der von allen nur Mondo genannt wird. „Es ist jedes Mal eine Ehre, gegen ihn anzutreten.“ Bei der EM wurde Lavillenie mit 5,95 nur Dritter – zwischen die beiden schob sich in Berlin noch der unter neutraler Flagge startende Russe Timur Morgunov (6,00).

    Mit zwei Springern über sechs Meter war es der beste Stabhochsprung-Wettkampf der Geschichte. „Ich mag solche Herausforderungen“, sagte Duplantis, der trotz der starken Konkurrenz nie an seinem Sieg zweifelte. „Ich wusste, dass ich immer noch einen drauflegen kann“, sagte er. Wenn es nach ihm geht, soll der Europameistertitel aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf das gewesen sein.

    In Berlin war er am Ende zu erschöpft, um auch noch Lavillenies Weltrekord von 6,16 zu attackieren. „Ich würde aber lügen, wenn ich sagen würde, dass ich ihn nicht brechen kann“, sagte Duplantis. So wie er einst den Mann aus Frankreich bewunderte, könnte die nächste Stabhochsprunggeneration bald zu ihm aufschauen, auch wenn er in Berlin entgegnete, er sei doch selbst fast noch ein Kind.