Hamburg. St. Paulis kampfstarker Offensivspieler nutzte seine Startelf-Chance und ertrug Frotzeleien zum Kopfballtreffer

    Gerade einmal drei Stunden Schlaf waren Richard Neudecker in der Nacht nach dem 2:0-Sieg gegen Darmstadt 98 vergönnt. Dabei hatte der Offensivspieler des FC St. Pauli, der das erste Tor selbst erzielt und das zweite mustergültig für Christopher Buchtmann vorbereitet hatte, unmittelbar nach dem Spiel noch vorhergesagt: „Ich werde nachher schlafen wie ein Baby.“ Am Sonnabendmittag musste er zugeben. „Das genaue Gegenteil war der Fall. Ich bin frühestens um drei Uhr eingeschlafen. Das ganze Adrenalin war noch im Körper. Ich habe die ganze Zeit noch über das Spiel nachgedacht und bin gefühlt jede Minute noch einmal durchgegangen.“

    Um sechs Uhr morgens war die Nacht für den 21-Jährigen aber auch schon wieder zu Ende. „Meine Eltern, die mich zum Spiel besucht haben, sind dann wieder nach Hause nach Bayern gefahren“, berichtete er nach dem Regenerationstraining. „Nachher lege ich mich bestimmt noch einmal hin.“

    Neudecker ist ein Musterbeispiel dafür, auf welch hohem Niveau sich der interne Konkurrenzkampf beim FC St. Pauli derzeit abspielt. Beim 2:1-Auftaktsieg fünf Tage zuvor hatte Neudecker noch nicht zur Startformation gehört und konnte erst in der Schluss-Viertelstunde Impulse auf dem Platz setzen. Diese und seine Leistungen in der Trainingswoche aber gefielen Trainer Markus Kauczinski so gut, dass er für die Heimpremiere gegen Darmstadt Neudecker den Vorzug vor Waldemar Sobota gab. Insbesondere durch seinen Auftritt in der zweiten Halbzeit, als er im Tausch mit Mats Möller Daehli vom rechten auf den linken Flügel wechselte, nutzte der aus Mühldorf stammende Oberbayer seine Chance eindrucksvoll. Eine gefühlvolle Flanke von Möller Daeh­li verwertete der (nach eigenen Angaben) nur 1,75 Meter große Neudecker zum ersten Kopfballtor seiner Profi-Karriere. In der Schlussphase bediente er nach einem Sprint in den Strafraum seinen Kollegen Buchtmann für das zweite und entscheidende Tor.

    „Ich habe das Video mit meinem Tor bestimmt zehnmal zurückgeswitcht. Fünfmal habe ich gedacht, wie schlecht das aussieht und wie viel Glück dabei war“, sagte er und musste lachen. Die Augen habe er beim Kopfball, alles andere als schulmäßig, geschlossen gehabt. „Die meisten, die mir geschrieben haben, haben mich veralbert. Da kam viel Schmarrn. Einige haben gefragt, ob ich angeschossen wurde“, erzählte er.

    Ganz ernsthaft berichtete Neudecker über eine Ernährungsumstellung, die ihm sehr geholfen habe. Statt Nudeln esse er Reis und Gemüse, auch auf Milchprodukte und Weizen verzichte er. Beim Wort Weizen und der Assoziation zu einem bayerischen Kaltgetränk musste er doch wieder schmunzeln: „Ja, da muss ich kämpfen.“