Berlin. Zehnkämpfer Arthur Abele krönt sich zu Europas König der Athleten. Talent Niklas Kaul wird Vierter

    Arthur Abele stürzte unter Freudentränen ins Ziel, dann setzte Maskottchen Berlino Europas neuem König der Athleten eine goldene Pappkrone auf: Nach langen Jahren voller Verletzungen und bitterer Rückschläge hat Zehnkämpfer Abele mit Gold bei der Leichtathletik-EM in Berlin mit 32 Jahren die unerwartete Krönung erlebt und den EM-Titel geholt.

    „Ich kann es nicht glauben, das ist einfach irre“, sagte Abele nach einem letzten packenden 1500-Meter-Kraftakt am Stadionmikrofon, ehe er sich unter tosendem Jubel auf eine Ehrenrunde durch das Olympiastadion aufmachte, die kaum ein Athlet jemals so verdient hatte wie der Ulmer. Für ihn war es der größte Erfolg seiner langen und mehrfach unterbrochenen Karriere, noch nie hatte er eine große Medaille im Zehnkampf gewonnen. Zudem sicherte er dem deutschen Team das erste Gold der „Heimspiele“.

    Abele hatte nach zwei Tagen 8431 Punkte auf dem Konto und setzte sich gegen den neutralen Athleten Ilja Schkurenjow (8321) sowie den Weißrussen Witali Schuk (8290) durch. Youngster Niklas Kaul (8220) wurde glänzender Vierter. Trotz der Ausfälle von Vizeweltmeister Rico Freimuth und Kai Kazmirek, dem WM-Dritten, erlebte Berlin die große deutsche Zehnkampf-Party: Abele war nur die etatmäßige Nummer drei im Team, Kaul nur nachgerückt, da Kazmirek kurzfristig passen musste.

    Abele, der die fünfte Medaille für das deutsche Team bei der EM holte, rollte dabei das Feld von hinten auf. Erstmals übernahm er nach dem Speerwurf, der vorletzten Disziplin die Führung. Und gab sie bis zur Erschöpfung kämpfend über die 1500 Meter nicht mehr her.

    Dabei nutzte Abele die Gunst der Stunde: Topfavorit Kevin Mayer (Frankreich) hatte bereits am ersten Tag alle Titelhoffnungen begraben müssen. Der Weltmeister leistete sich drei ungültige Versuche im Weitsprung und stieg anschließend aus – und so war der Weg frei für Abele. „Für Kevin ist es natürlich schade, er war in einer megakrassen Form und wäre normal vorne weggezogen“, sagte Abele: „Ich glaube, er wollte den Weltrekord angreifen und hat deshalb riskiert.“

    Auch Abele riskierte alles, aber nicht zu viel. Das Kraftpaket leistete sich keine Schwäche und schob auch kleinere Rückschläge wie die 4,60 Meter im Stabhochsprung schnell beiseite. Endlich belohnte sich der Familienvater für seinen großen Aufwand und sicherte sich die erste Medaille seiner Karriere. Seine beste internationale Platzierung war bisher Rang fünf bei der EM 2014.

    Vermutlich hätte Abele, der schon bei der WM 2007 dabei war, längst mehr Erfolge gefeiert – doch viel zu oft machte dem Sportsoldaten der eigene Körper einen Strich durch die Rechnung. Von Achillessehnenriss bis Gesichtslähmung, von Unterschenkel- bis Nabelbruch, von Ellbogensehnenriss bis Bandscheibenvorfall: Seine Krankenakte weist wohl so ziemlich jede Verletzung auf, die man sich vorstellen kann. Doch jeden dieser Rückschläge steckte er weg.

    Genau wie die Horror-Nacht im vergangenen Winter. „Ich bin morgens aufgewacht und habe gedacht, ich hätte einen Schlaganfall gehabt. Es war eine einseitige Gesichtslähmung, genannt Fazialisparese. Dabei hatte sich ein Infekt über den Kiefer und das Mittelohr auf meinen Gesichtsnerv hinter dem linken Ohr gelegt“, sagte Abele zuletzt: „Es ging sofort ins Bundeswehrkrankenhaus. Dort wurde mir Hirnwasser im Rücken entnommen und getestet. Denn es bestand die Gefahr, dass die Lähmung nie wieder weggehen würde.“ Aber Abele ist ein Kämpfer – und durfte nun endlich jubeln.

    Zuvor hatte das deutsche Team zwei weitere Medaillen gewonnen. Kugelstoßerin Christina Schwanitz und Weitspringer Fabian Heinle in einem Final-Krimi mit reichlich Verwirrung, holten Silber. Der 24-Jährige kam am Mittwochabend im Berliner Olympiastadion zweimal auf die persönliche Saison-Bestleistung von 8,13 Metern. Wegen eines möglichen Fehlers in der Messung des vierten Versuchs von Heinle legte der Deutsche Leichtathletik-Verband zudem Protest ein. Die Irritationen wegen der Weiten-Messungen seien „etwas unglücklich“, sagte Heinle. „Ich kann mich noch nicht so freuen, weil ich so geplättet bin vom Wettkampf.“ Dem Protest wurde stattgegeben, dies hatte am Ende aber keinen Einfluss auf die Platzierung. Gold sicherte sich der Grieche Miltiadis Tentoglou mit 8,25 Metern. Sergej Nykyforow aus der Ukraine kam wie Heinle auf 8,13 Meter, hatte aber einen schlechteren zweiten Versuch und gewann damit Bronze.

    Christina Schwanitz lag im Kugelstoßen bis in den letzten Durchgang mit 19,19 Metern in Führung, ehe von der Polin Paulina Guba (19,33) abgefangen wurde.