Glasgow. Der Deutschland-Achter gewann zum sechsten Mal in Folge EM-Gold – wichtiger Schritt vor der WM

    Schnelligkeit war auch nach dem Rennen noch gefragt bei den Mitgliedern des Deutschland-Achters. Weil um 16 Uhr der Rückflug von Glasgow nach Deutschland ging, war für Gespräche oder gar eine Siegesfeier kaum Zeit. Aber dass Geschwindigkeit ihr Metier ist, das hatten Johannes Weißenfeld (23/Herdecke), Felix Wimberger (28/Passau), Maximilian Planer (27/Bernburg), Torben Johannesen (23/Hamburg), Jakob Schneider (24/Ihringen), Malte Jakschik (25/Bonn), Richard Schmidt (31/Trier), Hannes Ocik (27/Rostock) und Martin Sauer (35/Wriezen) am Sonntagmittag im Strathclyde Country Park erneut nachgewiesen. Mit der Goldmedaille bei den European Championships in Schottland setzte die Auswahl von Bundestrainer Uwe Bender ihre Siegesserie bei internationalen Regatten, die nach der olympischen Silbermedaille von Rio 2016 begann, eindrucksvoll fort.

    Zu behaupten, der sechste EM-Titel in Folge sei angesichts der Dominanz eine Pflichterfüllung, wäre despektierlich, schließlich steckt viel harte Arbeit hinter dem Erfolg, was Steuermann Sauer auch unterstrich. „Wir haben zwar unglaublich viel Talent, müssen aber in jedem Rennen an unsere Grenzen gehen. Deshalb bin ich sehr stolz darauf, mit wie viel Eifer und Härte gegen sich selbst dieses Team arbeitet.“ Dass sich dieser Fleiß auszahlt, war daran abzulesen, dass die Deutschen nach 5:27,48 Minuten mit fast einer Bootslänge und gut zwei Sekunden Vorsprung auf die Niederlande (5:29,51) ins Ziel kamen. Bronze gewannen die vor allem am Start starken Rumänen (5:29,71), die Italien sowie Gastgeber und Olympiasieger Großbritannien abhängen konnten.

    „Für uns ist dieser Titel sehr viel wert, denn die EM liegt in diesem Jahr wegen der Zusammenlegung mit den anderen Sportarten so nah an der WM, dass sich bis dahin nicht mehr viel tun wird“, sagte Schlagmann Ocik. Maximal eine halbe Länge sei in den Wochen bis zu den Welttitelkämpfen im bulgarischen Plowdiw (9. bis 16. September) noch aufzuholen, was den Rückschluss zuließe, dass kein europä­isches Team die Deutschen schlagen wird, sollten diese ihren Leistungsstand zumindest beibehalten. „Dafür müssen wir aber sehr hart arbeiten, und zur WM kommen mit Australien und den USA weitere starke Nationen hinzu“, sagte Ocik. „Dennoch ist es klar, dass das Rennen heute ein starkes Zeichen an alle Konkurrenten war.“

    Das sah auch Torben Johannesen so. Der 23-Jährige vom RC Favorite Hammonia sah sich im Zielbereich seinem Bruder Eric (30) gegenüber. Der als Ersatzmann mitgereiste Olympiasieger von 2012 war als Experte für die ARD im Einsatz und gratulierte seinen Teamkollegen in der Mixed-Zone herzlich. „Wir haben uns die Favoritenstellung hart erarbeitet. Die EM spielt für uns keine Nebenrolle, sondern ist ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zur WM“, sagte Torben Johannesen, der erst nach Rio in den Achter gerückt war und deshalb noch kein Finalrennen verloren hat. Er sah vor allem die psychologische Komponente als entscheidend an. „Die Niederländer haben im Mittelstück alles versucht, aber wir sind ihnen weggefahren. Das wird sie in den kommenden Wochen im Training sehr beschäftigen.“

    Enttäuschende Bilanz der anderen deutschen Boote

    Der Glanz, den das Paradeboot verbreite, konnte indes die Gesamtbilanz des deutschen Teams nicht überstrahlen. Der DRV hatte in den 14 olympischen Klassen zwar nur sieben Boote gemeldet, weil vor allem dem Riemenbereich die Vorbereitung auf die WM wichtiger war und, wie Bundestrainer Ralf Holtmeyer anführte, „die finanzielle Planung wegen des Wechsels der Bundesregierung so lange unsicher war, dass wir im Winter entschieden haben, alles auf die WM zu setzen.“

    Dass es neben dem Männerachter nur der Frauenvierer in den Endlauf schaffte und dort abgeschlagen Letzter wurde, sorgte allerdings für Verdruss. „Der zweite Anzug war nicht gut genug, um hier mit der Spitze mitzuhalten. Aber einige Klassen wie der Vierer der Männer haben auch enttäuscht“, sagte der Bundestrainer, der ankündigte, zur nächsten EM auch die besten Athleten aufzubieten, sollte diese wieder mit mehreren Sportarten gemeinsam ausgetragen werden und entsprechende Aufmerksamkeit generieren.

    Im nicht-olympischen Leichtgewichtseiner erreichten immerhin Marie-Louise Dräger und Lars Wichert die Finals. Die 37-Jährige aus Lübeck wurde allerdings von einem grippalen Infekt ausgebremst, sie sagte für das Rennen ab. Der 31 Jahre alte Hamburger lag bis 500 Meter vor dem Ziel auf Bronzekurs, musste dann den Briten Samuel Mottram vorbeiziehen lassen, der mit 2,25 Sekunden Rückstand auf Titelverteidiger Michael Schmid (Schweiz/ 6:54,93 Minuten) und Martino Goretti (Italien/+ 1,37) Dritter wurde. Wichert kam mit 5,28 Sekunden Rückstand auf Schmid ins Ziel.

    „Natürlich hätte ich gern eine Medaille gewonnen, aber da hier die Weltspitze am Start war, ist das wie ein vierter Platz bei der WM“, sagte Wichert, WM-Fünfter von 2017. Sein Plan war gewesen, auf den ersten 1500 Metern einen ausreichenden Vorsprung auf Mottram herauszufahren, um diesen über die letzten 500 Meter ins Ziel zu retten. „Ärgerlich, dass es nicht gereicht hat. Vielleicht hat mir etwas Kraft gefehlt“, sagte er. Am Sonnabend war sein Halbfinalrennen um drei Stunden verschoben worden, da fünf der sechs Teilnehmer auf die defekte Startanlage aufgefahren waren. Dabei waren die Boote beschädigt worden und mussten repariert werden. Am Sonntag ging alles glatt – zumindest beim Start.