Berlin. Bei der Leichtathletik-EM in Berlin geht das größte DLV-Team an den Start. So stehen die deutschen Chancen auf Edelmetall

    Eine Medaillenprognose lässt sich Idriss Gonschinska nicht entlocken. Der Leitende Direktor Sport des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) weist auch Vergleiche mit der EM 2016 in Amsterdam zurück: „Das war eine Olympiasaison, da herrschen andere Voraussetzungen“, beharrt er. 16 Plaketten aus Edelmetall gewannen die DLV-Athleten dort, fünf aus Gold, vier aus Silber, sieben aus Bronze. Mit 125 Athleten ist das DLV-Team so groß wie nie. Die Konkurrenz ist stark: In Berlin starten 15 Weltmeister von London 2017 und 34 Europameister von 2016.

    Die deutschen Athleten irritiert das nicht. „Ich will zwei Medaillen mit nach Hause nehmen“, sagt Sprinterin Gina Lückenkemper aus Leverkusen gewohnt kess. „Ziel kann nur das Podium sein“, erklärt Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler (Jena) noch bescheiden, während der andere deutsche Rio-Sieger, Diskuswerfer Christoph Harting sagt: „Ich will gewinnen.“

    Wer sind die deutschen Starter mit den besten Aussichten? Ein Überblick.

    Speerwurf Männer: Noch nie hat es bei einer internationalen Meisterschaft Gold, Silber und Bronze im Speerwerfen für Deutschland gegeben. Röhler, Weltmeister Johannes Vetter (Offenbach) und dem nationalen Meister Andreas Hofmann (Mannheim) wäre diese Premiere zuzutrauen. Die neun weitesten Würfe dieses Jahres weltweit gehen auf ihr Konto, alle drei schleuderten das Gerät über 90 Meter.

    Sprint Frauen: Gina Lückenkemper traut sich viel zu, und ihr ist einiges zuzutrauen. Vor allem in der Staffel an der Seite von Tatjana Pinto (Paderborn), Rebekka Haase (LV Erzgebirge) und vielleicht der Berlinerin Lisa-Marie Kwayie (Neuköllner SF). In der Jahresbestenliste Europas liegt das DSV-Quartett in fast identischer Besetzung auf Rang eins vor der Schweiz und den Britinnen. Gibt es keine Fehler bei den Stabwechseln, ist hier alles möglich. Und Lückenkemper? War in Amsterdam mit 19 Jahren bereits EM-Dritte über 200 Meter. Kommt Lückenkemper an ihre Bestzeit von 10,95 Sekunden heran, gewinnt sie auch eine Medaille.

    Kugelstoßen: Vor zwei Jahren in Amsterdam siegten sowohl Christina Schwanitz (LV Erzgebirge) als auch David Storl (Leipzig). Vor vier Jahren in Zürich ebenso. Die junge Mutter Schwanitz ist eindeutige Favoritin, die einzige im Feld, die in dieser Saison schon die 20-Meter-Marke übertraf. Storl ist zwar auch erneut Anwärter auf eine Medaille, doch er hat mehr Konkurrenz. Besonders der Pole Michal Haratyk, der die Kugel in dieser Saison über 22 Meter stieß.

    Siebenkampf: In Weltmeisterin Nafissatou Thiam (Belgien) gibt es eine klare Favoritin. Ihr am nächsten in der europäischen Rangliste kommt aber Carolin Schäfer (Frankfurt), die WM-Zweite von London.

    Hürdenlauf Frauen: Titelverteidigerin ist Cindy Roleder (Halle), aber die WM-Zweite von Peking 2015 ist derzeit nicht so schnell wie die WM-Dritte von London 2017, Pamela Dutkiewicz (Wattenscheid). Beide haben Medaillenchancen.

    Männer-Staffeln rechnen heimlich mit Medaillen

    Diskuswurf: Christoph Harting will dort Europameister werden, wo sein Bruder Robert 2009 Weltmeister wurde und jetzt seinen Abschied feiert. Dann muss ihm ein großer Wurf nahe 70 Meter gelingen. In diesem Bereich bewegen sich Weltmeister Andrius Gudzius (Litauen), der Schwede Daniel Stahl und der Österreicher Lukas Weißhaidinger. Bei den Frauen haben hinter Sandra Perkovic aus Kroatien in Nadine Müller (Halle), Claudine Vita (Neubrandenburg) und Shanice Craft (Mannheim) drei Deutsche beste Aussichten.
    Mittel- und Langstrecke: 2017 hätte man gesagt: Gesa Krause (Trier) als Titelverteidigerin über 3000 Meter Hindernis und Konstanze Klosterhalfen (Leverkusen) über 5000 Meter sind Medaillenbänke. Nun kämpfte Letztere seit Monaten mit Knieschmerzen, und Krause fand nicht zur Bestform. Dafür gibt es in Richard Ringer aus Friedrichshafen jemanden, der über 10.000 Meter Furore machen könnte – er ist Europas Jahresschnellster.
    Außerdem chancenreich: Malaika Mihambo (Oftersheim) sprang in diesem Jahr 6,99 Meter weit und damit auf Rang zwei der Europa-Rangliste. Das Gleiche gilt für den WM-Fünften Mateusz Przybylko (Leverkusen), der fast platzt vor Optimismus: „Ich will auf jeden Fall aufs Podium.“ Anwärter auf Edelmetall ist immer die deutsche 4x100-Meter-Staffel der Männer. Diesmal rechnet sich auch die 4x400-Meter-Staffel etwas aus, denn 2018 blieben vier Deutsche unter 46 Sekunden.