Glasgow. Deutsche Turnerinnen verpassen Teamfinale der EM in Glasgow. Nur Weltmeisterin Pauline Schäfer überzeugt

    Die innere Zerrissenheit war ihr vom Gesicht abzulesen. Pauline Schäfer traute sich kaum, Freude zu zeigen, obwohl es Anlass dazu gegeben hätte am Auftakttag der European Championships in der SSE Hydro Arena in Glasgow. Mit dem Bestwert von 13,500 Punkten hatte die Schwebebalken-Weltmeisterin von 2017 gemeinsam mit der Belgierin Nina Derwael die Qualifikation für das Einzelfinale der besten acht an ihrem Paradegerät gemeistert und darf nun am Sonntag (16 Uhr MESZ) um eine Medaille turnen. Aber da war etwas, das der 21 Jahre alten Sportsoldatin aus Chemnitz die Laune verhagelte. „Der Frust ist groß, dass wir das Teamfinale verpasst haben. Das war unser größtes gemeinsames Ziel“, sagte sie.

    Sechs Stürze am Stufenbarren hatten dazu geführt, dass die von Schäfer angeführte Auswahl, zu der die Stuttgarterin Kim Bui (29), Sarah Voss (18/Köln), Leah Grießer (19/Karlsruhe) und Emma Höfele (16/Karlsruhe) zählten, letztlich mit dem zehnten Rang hadern musste. Bundestrainerin Ulla Koch wollte auf der Suche nach Erklärungen weder die gesundheitsbedingten Aus­fälle der Leistungsträgerinnen Sophie Scheder (21/Chemnitz), Elisabeth Seitz (24) und Tabea Alt (18/beide Stuttgart) noch das Wertungssystem anführen, das nur drei Starter pro Gerät erlaubt, die kein Streichergebnis produzieren dürfen. Der Hauptgrund für das Verpassen des Hauptziels sei die Unerfahrenheit der Youngster gewesen. „Die Jüngsten hatten große Angst vor Fehlern, und dann passieren die eben“, sagte sie.

    Ein Grund für die Aufregung ihrer Athletinnen könne die gesteigerte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sein, die durch das Konzept, die Europameisterschaften in sechs Sportarten in der schottischen Metropole gemeinsam abzuhalten, entstanden ist. „Bei Olympia oder WM sind sie das gewohnt, aber bei einer EM ist so viel Medieninteresse ungewöhnlich. Wahrscheinlich haben wir es versäumt, die Mädels darauf besser vorzubereiten“, sagte Ulla Koch.

    Für die Einzelfinals am Sonntag, für die sich neben Schäfer auch Bui als Vierte am Stufenbarren und Voss als Achte am Sprung qualifizierten, werde man entsprechende Vorkehrungen treffen. „Die Mädels wissen ja jetzt, was auf sie zukommt“, sagte die Bundestrainerin. Dennoch ist der Druck vor allem auf Pauline Schäfer immens. „Wenn sie hier nicht eine Medaille als Ziel hätte, bräuchte sie gar nicht anzutreten“, sagte Ulla Koch. „Ich weiß, dass von einer Weltmeisterin erwartet wird, bei einer EM mindestens eine Medaille zu holen. Aber ich sehe das nicht so, die Konkurrenz ist hier auch stark, deshalb kommt es auf die Tagesform an. Wenn alles passt, sollte ich im vorderen Drittel landen“, sagte die erste deutsche Turnweltmeisterin seit 30 Jahren (1987 Dörte Thümmler für die DDR am Stufenbarren), die nach ihrem Triumph von Mont­real acht Monate pausiert und erst im Juni in den Wettkampfmodus zurückgeschaltet hatte.

    Schäfer, Bui und Voss starten am Sonntag im Einzelfinale

    „Die Pause hat mir sehr gut getan, ich konnte in Ruhe an neuen Elementen arbeiten“, sagte die gebürtige Saarländerin, die weiterhin an hartnäckigen Rückenproblemen leidet. „Es gibt kein gesundheitliches Risiko, dass es schlechter wird, wenn ich turne. Aber es ist nach wie vor ein Problem.“ Den erzwungenermaßen wettkampffreien Sonnabend, an dem das Teamfinale ansteht, will sie nutzen, um an Technik und Sauberkeit ihrer Schwebebalkenübung zu feilen – und sich physiotherapeutisch auf Topniveau bringen zu lassen. Mut für den Angriff auf das erste EM-Gold macht ihr der Austragungsort. Vor drei Jahren gewann sie in Glasgow mit Bronze ihre erste WM-Medaille. „Natürlich ist das ein gutes Gefühl, dass ich hier schon Erfolg hatte“, sagte sie – und rang sich doch ein Lächeln ab.