Hamburg. Der 19-Jährige spielt seine erste Saison als HSV-Profi. Das Abendblatt begleitet ihn

    Der Dienstag beginnt für Stephan Ambrosius im Kraftraum des HSV. Abseits seiner Mannschaft muss der 19-Jährige Reha-Training bestreiten. Eine leichte Kapselzerrung setzt den Verteidiger in dieser Woche außer Gefecht. Bis zum Ligastart gegen Holstein Kiel am Freitag (20.30 Uhr) im Volksparkstadion wird es eng für Ambrosius. Der Innenverteidiger ist ungeduldig. „Ich kann es kaum erwarten, endlich hier zu spielen“, sagt Ambrosius im Gespräch mit dem Abendblatt. Er sitzt auf der Bank des Stadions und blickt in das weite Rund. Am 11. Mai hat Ambrosius seinen ersten Profivertrag unterschrieben. Nun steht er vor seiner ersten richtigen Saison in der ersten Mannschaft des HSV. Das Abendblatt wird Ambrosius beim „Projekt Profi“ ein Jahr lang begleiten und in regelmäßigen Abständen von seiner Entwicklung berichten.

    „Ich will zum gestandenen Profi werden“, sagt Ambrosius, als er über seine Ziele für die neue Saison spricht. „Ich will so oft wie möglich spielen und gesund bleiben, viel lernen und mir viel abgucken von den erfahrenen Spielern.“ Bereits im April hatte der Abwehrspieler beim Auswärtsspiel in Stuttgart sein Debüt für die HSV-Profis gegeben. Trainer Christian Titz ermöglichte ihm die Bühne Bundesliga. Seitdem wartet Ambrosius auf das nächste Spiel für die Profis.

    Angefangen hat die Geschichte des Jungen aus Wilhelmsburg Anfang Fe­bruar an einem kalten Dienstagnachmittag im Volkspark. Trainer Bernd Hollerbach ließ seine Profis in einem Trainingsspiel gegen die Zweite Mannschaft antreten. Und die Mannschaft des damaligen U-21-Trainers Christian Titz besiegte die von Hollerbach mit 4:1. Vor allem ein Spieler überzeugte: Stephan Ambrosius. „Der Junge spielt mit Herz“, sagte Hollerbach. Einen Tag später trainierte Ambrosius bei den Profis und fuhr mit der Mannschaft zum Spiel nach Dortmund. Einen Monat später war die Zeit von Hollerbach beim HSV schon wieder vorbei. Die Zeit von Am­brosius dagegen sollte erst so richtig beginnen. Mit Titz wurde der Trainer zu den Profis befördert, der ihn zuvor schon in der U-21 aufgebaut hatte. Und Titz traute sich, Ambrosius auf Anhieb in das viel zitierte kalte Wasser zu werfen. Der Jungprofi schwärmt von seinem Trainer. „Christian Titz macht Spieler besser. Man kann unter ihm nicht schlechter werden. Er hat ein gutes Auge dafür, was man aus jungen Spielern herausholen kann“, sagt Am­brosius. Auch wenn Titz ihn dabei schon mal schärfer ansprechen muss. „Wenn er nur sagen würde, alles ist gut, dann würde ich mich nicht verbessern. So muss es sein“, sagt der Hamburger.

    Aufgewachsen ist der HSV-Youngster im Süden von Wilhelmsburg. Auf einem kleinen Käfigplatz lernte er mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Michael, sich durchzusetzen. Sein erster Verein war Einigkeit Wilhelmsburg. Dann ging es zum SV Wilhelmsburg, ehe der FC St. Pauli ihn entdeckte. Nach Ömer Sismanoglu, der zwischen 2008 und 2009 für den FC St. Pauli in der Zweiten Liga spielte, ist Ambrosius der zweite Spieler, der es aus Wilhelmsburg in den deutschen Profifußball geschafft hat. „Das macht mich stolz. Das macht auch meine Familie und meine Freunde stolz.“ Ambrosius wohnt noch mit seiner Mutter und seinem Bruder in Wilhelmsburg. In Kürze wollen sie zusammen in die Nähe des Volksparks ziehen.

    Ambrosius ist ein Familienmensch, dem sein Wilhelmsburger Freundeskreis wichtig ist. Als er in Stuttgart sein erstes Bundesligaspiel machte und gleich gegen Nationalstürmer Mario Gomez verteidigen musste, traf er sich noch am Abend nach der Rückkehr mit seinen Freunden an der Nelson-Mandela-Schule zum Spaziergang. Seiner Mutter schenkte er das Trikot. „Sie zieht es wahrscheinlich selbst noch an, wenn sie ins Stadion kommt“, sagt Ambrosius und lacht.

    Lachen tun auch seine Mitspieler, wenn er ihnen heute erzählt, dass er vor einigen Jahren noch als Stürmer gespielt hat. Bei einem Hallenturnier mit der U-12 von St. Pauli stellte ihn sein damaliger Trainer das erste Mal in die Abwehr. Dort blieb er. Ambrosius gilt heute als kompromissloser Verteidiger. Ein Zweikämpfer wie sein Lieblingsspieler Antonio Rüdiger. „Ich mag ihn, weil er sich immer alles hart erarbeitet hat. Er hat sich trotz Kritik immer durchgesetzt. Das imponiert mir.“

    Ambrosius selbst will sich bei den Profis vor allem als Persönlichkeit entwickeln. „Ich bin kein Jugendspieler mehr. Ich muss als Innenverteidiger lernen, die Spieler zu coachen und mehr aus mir herauszukommen.“ Trainer Titz und Sportchef Ralf Becker sind von den Qualitäten und vor allem von der Mentalität des Abwehrspielers überzeugt. Als Innenverteidiger Nummer drei hat Ambrosius aktuell auch gute Chancen, regelmäßig zu spielen.

    Als Profi sieht sich das Abwehrtalent aber noch nicht. Dafür habe er noch nicht häufig genug gespielt. Auf einem guten Weg sieht er sich aber allemal. „Es war immer mein Ziel, Fußballer zu sein. Ich bin vor der Tür angekommen. Jetzt muss ich durch die Tür gehen. Es liegt an mir, ob ich das schaffe.“

    Das Abendblatt wird Ambrosius das nächste Mal im September vor dem Stadtduell gegen seinen Ex-Club St. Pauli treffen. Und am Ende der Saison will der HSV-Profi dann darüber sprechen, dass sein Weg ein erfolgreicher war. „Dass ich es geschafft habe, ein richtiger Profi zu sein.“

    Das erste Video zum Dossier finden Sie unter abendblatt.de/ambrosius