Winsen. Allen John sorgt bei den Porsche European Open für die Sensation des Tages. US-Stars brechen ein. Die Organisatoren verlegen das Turnier 2019 in den September.

    Als Allen John auf das 18. Grün kam, mehr als zwei Stunden vor dem späteren Überraschungssieger Richard McEvoy, war der Jubel der Zuschauer so laut und enthusiastisch, wie bei keinem Spieler vorher oder nachher. Als der Amateur vom Golfclub St. Leon-Rot zum Par eingelocht hatte und mit zehn Schlägen unter dem Platzstandard als Führender der Porsche European Open ins Clubhaus ging, verabschiedeten ihn die Fans mit minutenlangem, rhythmischen Klatschen. Man wartete darauf, dass jemand „Zugabe“ riefe – und die hätte es ja auch fast gegeben.

    Am Ende eines spannenden, verrückten und turbulenten Schlusstages des mit zwei Millionen Euro dotierten Turniers in Winsen fehlte dem 30-Jährigen, dem Schweden Christofer Blom­strand und dem Italiener Renato Paratore mit 278 Schlägen ja tatsächlich nur ein Schlag, um eine Verlängerung zu erzwingen. Schon machten sie sich auf der Driving Range für das Play-off bereit.

    McEvoy (39), der in 19 Jahren als Profi bei 126 Turnierteilnahmen in Europas höchster Kategorie noch nie gewinnen konnte, hatte immerhin einen finalen Putt von etwa fünf Metern vor sich, um zu gewinnen. Unwahrscheinlich. Aber, der Ball fiel am Ende doch. „Ich wusste, dass ich diesen Putt machen musste, ich war sehr konzen­triert“, sagte der Engländer hinterher. Auf dem Platz warf er enthusiastisch seine Mütze in die Luft. Und John und Co. packten ihre Schläger wieder ein.

    „Es ist ein unglaubliches Gefühl“, sagte der Champion völlig außer sich. Niemand, wirklich niemand hatte gedacht, dass er in der finalen Runde schlaggleich an der Seite von US-Profi Bryson DeChambeau und mit nur einem Schlag Vorsprung vor Masters-Champion Patrick Reed seine Nerven zusammenhalten könnte. Fünf Bogeys und vier Birdies sind auch kein überragendes Ergebnis für die letzte Runde. „Es war ein ständiges Hin und Her, zwischendurch war es etwas frustrierend“, meinte McEvoy.

    Aber es reichte für den Vater von zwei Söhnen, weil die amerikanischen Stars völlig von dem 6934 Meter langen Kurs „aufgefressen“ wurden, nachdem sie in den ersten drei Tagen mit starken Leistungen ihr Antrittsgeld wert waren. Der drei Tage lang führende DeChambeau brach am Sonntag mit 78 Schlägen (sechs über Par) völlig ein. Am Ende wurde er geteilter 13. Reed erging es nicht viel besser. Einem Birdie an der dritten Bahn standen fünf Schlagverluste gegenüber – Platz 9 mit 281 Schlägen.

    John hatte sie da mit dem besten Tagesergebnis von 67 Schlägen längst in den Schatten gestellt. Schon nach seiner starken 70-Schläge-Runde am Sonnabend hatte sich die außergewöhnliche Geschichte des Badeners herumgesprochen. Er ist gehörlos mit nur noch fünf Prozent Hörvermögen. „Seit meinem zweiten Lebensjahr trage ich Hörgeräte“, erzählt er. 80 Prozent Hörvermögen kann er damit erreichen, seinen Balltreffmoment aber hört er nicht authentisch. „Er ist offensichtlich ein fantastisches Talent“, lobte Sieger McEnvoy.

    2011 hat John als Profi gespielt, musste sich aber nach einer Schambeinverletzung nur zwei Jahre später reamateurisieren lassen. Statt Golf gab es eine kaufmännische Berufsausbildung. Vor einem Jahr gewann er die Goldmedaille bei den Deaflympics, den Weltspielen der Gehörlosen, sein Ziel war eigentlich, diesen Titel in drei Jahren zu verteidigen. Und jetzt?

    Der Gedanke, vielleicht doch wieder Profi zu werden, wird in den Kopf kriechen. Irgendwann wird er daran denken, dass ihm 149.156 Euro für Platz zwei durch die Lappen gegangen ist. Die Armbanduhr für den besten Amateur ist da ein eher schwacher Trost. „Die Erfahrung, die ich hier machen durfte, ist unbezahlbar“, sagte er tapfer, „ich habe mir bewiesen, dass ich mit den Besten der Welt mithalten kann.“

    Turnierdirektor Senn hatte schon am Vormittag sein positives Fazit gezogen, da konnte er noch nicht ahnen, welche dramatische Entwicklung es auf der Schlussrunde geben würde. „Es war ein sehr gutes Turnier, der Platz war ausgezeichnet, das Teilnehmerfeld sehr stark und die Stars waren vorne dabei und wollten gewinnen“, freute sich der Schweizer. Auch „Kinderkrankheiten“ beim Catering oder den Parkplätzen wurden kuriert. Nur mit der Zuschauerresonanz war er nur zufrieden: „Ich bin nicht begeistert, aber auch nicht enttäuscht.“ Immerhin 14.300 kamen am Sonntag nach Winsen, insgesamt waren in diesem Jahr 39.000 Golffans live dabei. Die Hamburger Sommerferien waren nach der Analyse der Verantwortlichen eher das Problem als die brüllende Hitze an den ersten drei Tagen.

    Um so mehr freute sich Senn, den neuen Termin für das kommende Jahr zu verkünden. Das Turnier findet vom 5. bis 8. September statt. „Dann haben wir nach Ende der US-Saison die Chance, noch mehr Spieler von der amerikanischen PGA-Tour zu verpflichten“, meinte er. Außerdem ist es sehr wahrscheinlich, dass dann auch Deutschlands Golflegende Bernhard Langer den Weg auf die Green Eagle Golfcourses findet, weil es keine Terminkollision mit den Britisch Senior Open (dort belegte er am Sonntag Platz zwei) gibt.

    Ganz sicher wieder dabei ist dann Titelverteidiger McEvoy. Dessen Golfleben hat sich nicht nur wegen der Siegprämie von 333.330 Euro radikal geändert. Er hat Geschichte geschrieben als erster Spieler, der nacheinander ein Turnier der Challenge Tour und der European Tour gewinnen konnte. Und er hat die Spielberechtigung für die European Tour für zwei Jahre sicher. „Nein“, sagte er, „das habe ich noch nicht realisiert. Dienstag fahre ich mit der Familie erst einmal in Urlaub.“