Budapest. Trotz des Todes des Konzernlenkers Sergio Marchionne versucht Ferrari, am Sonntag in Ungarn den Rückstand auf Mercedes zu verkürzen

    Ein schwarzes Quadrat, mehr ist zum Auftakt des Großen Preises von Ungarn (Sonntag, 15.10 Uhr/RTL) nicht zu sehen von Ferrari, auch nicht auf dem Instagram-Account des Formel-1-Rennstalls. Sebastian Vettels Scuderia steht noch unter Schock nach dem Tod des Konzernlenkers Sergio Marchionne, der auch der menschliche Antriebsstrang des Teams war. Nichts lief ohne den nur 66 Jahre alt gewordenen Manager, der in einem Moment charmant sein konnte und im anderen seinem Spitznamen als Bulldozer alle Ehre machte. Niemand wollte, sollte, durfte über den Schicksalsschlag reden. Zwei auf Halbmast improvisierte Fahnen mit dem springenden Pferdchen waren im Fahrerlager alles an Äußerungen zum Gefühlszustand. Unter neuem Management soll Marchionnes Lebenstraum, der Gewinn des Weltmeistertitels, nun erfüllt werden.

    Die Mission scheint schwieriger denn je, obwohl Konkurrent Mercedes zuletzt Schwächen gezeigt hat. Die Ferraristi sind aufgewühlt ist, keiner weiß, wie schnell die offenen Fragen nach der Fahrerbesetzung für 2019, der Ferrari-Zukunft in der Formel 1 überhaupt unter John Elkann und Louis Camilleri beantwortet werden.

    Die Manager haben zunächst andere Sorgen, aber in der Grand-Prix-Gegenwart befindet sich Ferrari nach seiner Aufholjagd in einer entscheidenden Phase. Sebastian Vettel hat es in Österreich, vor allem aber beim verschenkten Sieg in Hockenheim am vergangenen Wochenende versäumt, Kapital aus der Kräfteverschiebung zugunsten von Rot zu schlagen. Beim letzten Rennen vor der Sommerpause liegt der Heppenheimer, der Sonnabend mit einem Trauerflor quer über der Fahrzeugnase seines Autos fahren wird, wieder 17 Punkte hinter seinem Dauerrivalen Lewis Hamilton zurück. Auf dem Hungaroring ist die Scuderia hinter Red Bull der Favorit, vor allem mit jenen über den Frühsommer gefundenen 38 PS mehr, über die die Konkurrenz rätselt. Im Freien Training am Freitag gelang Vorjahressieger Vettel die Bestzeit, Hamilton wurde Fünfter.

    Der massive Leistungsschub, der von einer neuen Software für das Batteriemanagement kommen soll, drückt sich vor allem in einem Leistungsgewinn auf der Geraden aus, der bisherigen Mercedes-Domäne. Der Powerschub kommt im Bereich zwischen 250 und 320 km/h, der Motor klingt dann auch anders als bisher. Ein solcher Leistungssprung, rechnet Mercedes-Teamchef Toto Wolff vor, dauert unter normalen Umständen etwa zwei Jahre. Der Spec2-Motor von Ferrari schaffte das in zwei Monaten, das macht die Konkurrenz misstrauisch. Doch Renndirektor Charlie Whiting versichert, dass der Automobilweltverband Fia keinerlei Reglementverstöße feststellen konnte.

    WM-Spitzenreiter Hamilton hat in Ungarn, nicht gerade eine der Lieblingsrennstrecken der Silberpfeile, vor allem einen Überschuss an mentaler Power entgegenzusetzen. Nachdem Ferrari in Trauer schwieg, nutzte der Brite die Bühne für sich, wählte seine Worte wohl dosiert, aber kompromisslos: „Der Druck, unter dem Sebastian und ich stehen, ist größer als jemals zuvor. Aber das schreckt mich nicht, es spornt mich an.“ Es geht auch darum, welcher der beiden als Erster den fünften WM-Titel schafft.