Saint-Lary-Soulan.

    Nairo Quintana, dieser drahtige Bilderbuch-Kletterer, musste doch noch lächeln. Als der Kolumbianer das 2215 Meter hohe Dach der diesjährigen Tour de France erreichte, schien er nach der nur 65 Kilometer langen Bergetappe dem Himmel ein Stück näher. Auf dem wolkenbehangenen Gipfel des Col du Portet, im leichten Regen, lachte der 28-jährige Movistar-Profi, das der Anblick eine Freude war.

    Sky-Kapitän Chris Froome folgte mit Abstand, aber er war dem Himmel dieser Frankreich-Rundfahrt ein gutes Stück entrückt. 1,6 Kilometer vor dem Ziel hatte der Niederländer Tom Dumoulin angegriffen, der Gesamtführende Geraint Thomas setzte hinterher, Froome konnte nicht mehr mitgehen. Der viermalige Tour-Champion war geschlagen. Vier Tage vor dem Finale in Paris darf Sky-Teamkollege Thomas vom größten Erfolg seiner Karriere träumen. Der Waliser führt mit 1:59 Minute vor Dumoulin. „Ich bin jetzt in einer gute Position, aber ich denke immer noch von Tag zu Tag“, sagte der 32-Jährige bescheiden. „Alles kann noch passieren.“

    Froome liegt nochmals 32 Sekunden hinter Sunweb-Kapitän Dumoulin. Zudem stürzte er nach der Etappe. Froome war auf dem Weg zum Teambus von einem Polizisten angehalten worden und kam dabei zu Fall. Der Ordnungshüter hatte den mit einer Regenjacke bekleideten Briten fälschlicherweise für einen Fan gehalten. „Es war ein Missverständnis, Chris geht es gut“, sagte ein Teamsprecher .

    Auf der kürzesten Touretappe seit 30 Jahren von Bagnères-de-Luchon nach Saint-Lory-Soulan hatte sich niemand wegducken können. Das lange Drama einer normalen Bergetappe war komprimiert zu einem fiebrigen Kurzfilm, dessen Trailer nicht nur das Blut in den Adern der Fahrer gefrieren ließ. Angesichts der Kletterpartie war bei den Sprintern die Sorge groß, das Zeitlimit und damit die relativ flache Etappe heute nach Pau zu verpassen. Etliche Sprinter, darunter die Deutschen Marcel Kittel und André Greipel waren der Alpen-Tortur zum Opfer gefallen. Peter Sagan hatte sie müde überstanden. Seit Dienstag steht fest, dass der Slowake Erik Zabels Rekord in Paris einstellt.

    Mathematisch ist dem dreimaligen Etappensieger das sechste Grüne Trikot nicht mehr zu nehmen. „Außer wenn er stürzt oder krank wird“, gab Bora-Teammanager Ralph Denk zu Bedenken. Seine Befürchtungen wurden wahr. Auf der Abfahrt vom Col de Val Louron-Azet stürzte Sagan. Minutenlang gab es keine Informationen. Dann meldete der Transponder Bewegung, Sagan fuhr weiter. Tatsächlich erreichte der dreimalige Weltmeister noch im Zeitlimit das Ziel. Allerdings stieg er mit Schmerzen vom Rad.