Hamburg. Für Charlotte Stapenhorst und das deutsche Hockeyteam geht es gegen Argentinien um den Gruppensieg

    Der Blick aus den Fenstern ihrer Hotelzimmer geht hinaus auf die Tower Bridge. Wenn es stimmt, dass das berüchtigte Camp Watutinki das schwache Abschneiden der deutschen Fußballer bei der WM in Russland mitbegründet hat, dann hat der Deutsche Hockey-Bund (DHB) für die Feld-WM in England die richtigen Schlüsse gezogen. Weil die Modusänderung – nur noch drei statt fünf Vorrundenspiele, dafür vier Vierer- statt zwei Sechsergruppen – mehr Pausentage zwischen den Spielen ermöglicht, hat der Verband seine Damen nicht nahe dem Spielort im alten Olympiapark in London kaserniert, sondern direkt im Herzen der Weltmetropole untergebracht. „Für uns ist das ein Traum, das Umfeld ist perfekt“, sagt Charlotte Stapenhorst.

    Auf keinen Fall solle jedoch der Eindruck erweckt werden, die weibliche Hockeyelite sei zu touristischen Zwecken nach London gereist, sagt die Torjägerin in Diensten des Hamburger Topclubs Uhlenhorster HC. „Wir sind sehr fokussiert auf das, was wir hier erreichen wollen. Aber es tut gut, auch mal vom Hockey abschalten und ein bisschen Sightseeing machen zu können“, sagt die 23-Jährige, die im Aufgebot von Bundestrainer Xavier Reckinger zu den erfahrenen Kräften zählt und eine entsprechend hohe Bedeutung für die Mannschaft hat. Beim 3:1-Auftaktsieg über Südafrika wurde sie dieser mit einem Tor gerecht, an diesem Mittwoch (19 Uhr/DAZN) könnte gegen Argentinien bereits der entscheidende Schritt in Richtung Viertelfinale gelingen. Nur der Gruppensieger qualifiziert sich direkt für die erste K.-o.-Runde.

    Der 6:2-Auftaktsieg der „Löwinnen“ gegen Spanien hat zwar nicht dazu beigetragen, die Favoritenrolle Argentiniens zu schmälern, dennoch hält Charlotte Stapenhorst wenig von Tiefstapelei. „Wir wissen, was auf uns zukommt, aber wir haben definitiv die Chance zu gewinnen“, sagt die gebürtige Berlinerin, die 2014 von TuS Lichterfelde nach Hamburg gewechselt war und in der abgelaufenen Saison 2017/18 ihrem Reifeprozess mit dem Ziel, eine Weltklassestürmerin zu werden, einen entscheidenden Kick gab.

    Die Erfahrung, in der als beste Liga der Welt geltenden niederländischen Hoofdklasse für SCHC Bilthoven aufzulaufen, habe sie vor allem menschlich geprägt. „Zum ersten Mal in meiner Karriere war ich nicht gesetzt, sondern musste in jedem Training um meinen Platz in der Mannschaft kämpfen“, sagt sie. Plötzlich war die Architekturstudentin eine von vielen, sie trainierte mit dem Rumpfkader, wenn die Nationalspielerinnen zum Auswahltraining unterwegs waren. „Ich habe mir nie bewusst gemacht, was das für die, die daheim trainieren und dann doch zurückstecken müssen, wenn die Nationalspielerinnen zurückkommen, bedeutet. Jetzt sehe ich das mit ganz anderen Augen, was diese Mädels leisten“, sagt sie.

    Der neue Blickwinkel helfe ihr dabei, sich intensiver auf Mitspielerinnen einzulassen. „Ich bin besser darin geworden, Entscheidungen zu treffen und durchzuziehen, aber auch darin, mit den anderen zusammenzuspielen. Ich bin geduldiger, und Selbstreflexion ist mir wichtiger geworden. Ich versuche, sorgsamer mit anderen umzugehen und mich im Team entsprechend zu verhalten“, sagt sie.

    Dass trotz ihres jungen Alters und des Fakts, dass sie selbst WM-Debütantin ist, die noch Jüngeren zu ihr aufschauen, habe sie lange nicht wahrhaben wollen. „Jetzt nehme ich das an und versuche, sie positiv zu pushen.“ Gegen Argentinien gibt es die nächste Gelegenheit dazu. Charlotte Stapenhorst wird versuchen, sie zu nutzen.