Hamburg. Michael Stich gewinnt nach Aufnahme in die Tennis-Ruhmeshalle seinen letzten Schaukampf am Rothenbaum

    Der Kniefall nach dem verwandelten Matchball fiel vorsichtig aus, wie man es von einem kniegeschädigten 49-Jährigen erwartet. Dennoch wollte sich Michael Stich diese Geste nicht sparen, war sie doch auch ein Stück Ehrerbietung für seinen Gegner und das Publikum. Vor 7500 Fans auf dem ausverkauften Centre-Court gewann der letzte deutsche Rothenbaum-Sieger (1993) am Sonntagabend das traditionelle Legendenmatch zur Eröffnung der German Open nach 95 Spielminuten mit 7:6 (7:3), 2:6, 10:7 gegen US-Altmeister John McEnroe (59). Es war der letzte Showkampf in Stichs Laufbahn – und der erste, den er offiziell als Legende bestritt.

    Die verrückte Reise, die dem Wimbledonsieger von 1991 den Legendenstatus einbrachte, hatte am Donnerstagabend begonnen. Stich war nach Newport (US-Bundesstaat Rhode Island) gereist. Die 25.000-Einwohner-Stadt, 100 Kilometer südlich von Boston am Atlantik gelegen, ist die Heimat des International Tennis Museums. 252 Persönlichkeiten aus dem Tennis, darunter nicht nur Profis, sondern auch Manager und Journalisten, waren bis zum Sonnabend in der zum Museum zählenden Ruhmeshalle (Hall of Fame) verewigt. Nun sind es, da neben Stich auch die Tschechin Helena Sukova (53) aufgenommen wurde, 254.

    „Es ist für mich eine unglaubliche Ehre, zu diesem Kreis dazuzugehören. Es gibt keine größere Auszeichnung nach der aktiven Karriere“, sagte Stich, der nach Hilde Krahwinkel-Sperling (1908 bis 1981), Steffi Graf (49), Gottfried von Cramm (1909 bis 1976), Hans Nüsslein (1910 bis 1991) und Boris Becker (50) der sechste Deutsche ist, dem diese Ehre seit Gründung der Hall of Fame 1954 zuteilwurde. Die Zeremonie am Sonnabend, an der auch Stichs Ehrengäste – ein befreundetes Pärchen aus Los Angeles, zwei Geschäftspartner aus dem Rothenbaum-Club und sein ehemaliger Trainer Mark Lewis (57) samt Ehefrau – teilnahmen, fand auf dem Centre-Court statt, bevor die Halbfinals des in Newport ausgetragenen Rasenturniers ausgespielt wurden.

    Sein Ex-Trainer Mark Lewis hielt die Laudatio

    Die Laudatio auf Stich hielt der extra aus Neuseeland eingeflogene Lewis. „Mark hat viel netter über mich geredet, als ich es damals war“, sagte der 49-Jährige. In einer frei gehaltenen Replik, die die Zuschauer mehrfach zu Applaus und ihn selbst zu Tränen rührte, spannte der einstige Weltranglistenzweite den Bogen von seinen Anfängen im Sport bis hin zu seiner als Verpflichtung empfundenen Aufgabe, sich auch in Zukunft für das Tennis einzusetzen. Zwar nicht mehr als Rothenbaum-Turnierdirektor; das Recht zur Ausrichtung geht von 2019 an an den Österreicher Peter-Michael Reichel. Denkbar wäre aber, so Stich, der Aufbau einer deutschen Ruhmeshalle. „Die Idee, dass Sportstars für ihre Verdienste in Ehren gehalten werden, lebt in den USA viel mehr als in Europa. Schön wäre, wenn wir hier auch so etwas aufbauen könnten“, sagte er.

    In Newport können in den kommenden zwölf Monaten in einer Sonderausstellung Exponate, Fotografien und bewegte Bilder aus Stichs und Sukovas Karrieren besichtigt werden. Anschließend werden die beiden Neulinge in der Dauerausstellung des Museums verewigt. Wichtige Pokale aus seinem Fundus hatte Stich dafür per Kurierdienst in die USA verschickt. „Zum Glück sind sie alle angekommen“, sagte er. Zum Glück galt das auch für ihn: Das Festbankett am Sonnabend in Newport hatte er absagen müssen, um in Boston rechtzeitig den Linienflug nach Frankfurt zu erwischen. Dort stieg er in eine Privatmaschine um und landete um 12.45 Uhr in Fuhlsbüttel.

    Pünktlich genug, um sich, bestens gelaunt und nach sieben Stunden Schlaf im Flugzeug auch ausgeruht, mit McEnroe messen zu können. Das war auch nötig: Der US-Amerikaner ähnelt mittlerweile äußerlich zwar dem Butler James aus „Dinner for one“, bewegt sich aber geschmeidig wie einer, der gerade auf seiner ersten Ü-30-Party tanzt. So entwickelte sich ein Match, das offensichtlich keiner verlieren wollte.

    Und letztlich waren ja auch alle Gewinner. Das Publikum, das guten Sport sah. McEnroe, dem die Sympathien zuflogen. Und Stich, der sein Legendenwochenende perfekt abschließen konnte. Seine Abschiedsrede hat er sich für den Finalsonntag aufgespart. Statt eines Kniefalls dürfte es dann Tränen geben.