Hockenheim. Formel 1 Ein Ausrutscher beendete alle Träume des in Führung liegenden Ferrari-Stars vom ersten Heimerfolg in Hockenheim

    Der Fluch hat gesiegt: Nach einem Fahrfehler verschenkte Sebastian Vettel die Chance auf seinen ersten Sieg beim Großen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring. 14 Runden vor Schluss machte er so Lewis Hamilton zum Halbzeit-Meister der Formel 1. Der Brite war vom 14. Platz aus ganz nach vorne gefahren, Mercedes feierte durch den zweiten Platz von Valtteri Bottas einen ungeahnten Doppelerfolg vor Kimi Räikkönen im Ferrari. Die Trophäe für seinen 66. Grand-Prix-Sieg bekam der Titelverteidiger von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der sich wohl wie die meisten der 70.000 Zuschauer im Motodrom zum Abschied von Hockenheim einen Vettel-Sieg gewünscht hätte. Platz fünf von Nico Hülkenberg im Renault war anständig, aber nur ein Trostpreis.

    Hamilton hat nach Vettels erstem punktlosen Rennen aus einem Acht-Punkte-Rückstand einen Vorsprung von 17 Zählern gemacht, mit einer Weltklasseleistung: „Es war schwierig bei diesen Bedingungen, aber es waren auch perfekte Bedingungen für mich. Es stärkt den Glauben des Teams an mich und meinen Glauben ans Team.“ Am Abend musste er allerdings noch einmal um den Sieg bangen. Für ein verbotenes Manöver erhielt er eine Verwarnung, die Rennkommisare betonten im Urteil, dass Hamilton niemanden gefährdet habe. Schon bei einer möglichen Fünf-Sekunden-Strafe wäre er vom ersten auf den zweiten Platz hinter Teamkollege Valtteri Bottas gefallen.

    In der harmlosen Sachs-Kurve rutschte Vettel ins Kiesbett

    Es war der vielleicht folgenschwerste Ausrutscher der Karriere von Sebastian Vettel. 53 Runden lang hatte er sich in relativer Ruhe auf seinen ersten Hocken-Heimsieg vorbereiten können, mit einem Ferrari, der das schnellste Auto des Formel-1-Sommers ist. Es sollte eine Triumphfahrt werden, wie schon bei der Rekordrunde in Richtung Pole-Position. Doch als eine launische Regenwolke ihr Unwesen über dem Motodrom trieb, als Hamilton wie schon vor zwei Wochen in Silverstone von ganz hinten weit nach vorn pflügte und in den Strategieabteilungen der Teams das blanke Wetterchaos herrschte, geschah es. In der 53. von 67 Runden rutschte der Heppenheimer unter halbfeuchten Bedingungen in der harmlosen Sachs-Kurve über den Randstein ins Kiesbett, lenkte noch hektisch, aber da war seine „Loria“ schon in die Werbetafel vor den Reifenstapel eingeschlagen. Sebastian Vettel hämmerte mit den Fäusten auf das Lenkrad, mit tränenerstickter Stimme brachte er ein „Sorry, guys“ heraus. In der Ferrari-Box schlugen die Mechaniker die Hände vors Gesicht. So ist diese Formel-1-Saison: eine Achterbahnfahrt der Gefühle im dramatisch engen Titelrennen.

    Gefasst, eher trotzig analysierte der Heppenheimer seine dunkelste Stunde der Saison: „Es war einfach nur zu rutschig. Ich habe ein kleines bisschen zu spät gebremst, da haben die Räder blockiert. Ich ärgere mich sehr über mich selbst, aber es ist nicht so, als ob ich sehr viel falsch gemacht habe. Da hatte ich schon schlimmere Fehler. Aber im Moment ist es natürlich bitter. Ich ärgere mich extrem, dass es ausgerechnet hier war. Wir hatten den Sieg schon in der Tasche.“ Den großen moralischen Schub bekam plötzlich Hamilton. Zehn Runden vor Schluss, als die Wetterkapriolen und die Safety-Car-Phase vorbei waren, in der Hamilton schon auf einen Reifenwechsel gepolt war, dann aber aus der Boxeneinfahrt quer übers Gras wieder zurück auf die Piste kam und damit wohl instinktiv seinen vierten Saisonsieg möglich gemacht hat, begann das Rennen wieder von vorn.

    Sein Teamkollege Valtteri Bottas griff vor der Mercedes-Tribüne mit frischen Reifen den Überraschungs-Spitzenreiter an. Das ist das Prinzip freie Fahrt bei den Silberpfeilen, aber es ist auch Harakiri. Technikchef James Allison­ funkte kategorisch: „Positionen halten.“ Sebastian Vettel war da schon umgezogen, entschuldigte sich persönlich am Ferrari-Kommandostand, man tröstete sich gegenseitig. Eine große Chance verschenkt. Vielleicht ist für die neuerliche Aufholjagd Lewis Hamiltons Schicksal das Vorbild: Der Brite hatte Sonnabend beim Vettel-Pole-Triumph verzweifelt vor seinem Auto gekniet, hatte sogar versucht, es eigenhändig in die Garage zu schieben. Einen fünften Rang hatten die Mercedes-Strategen als maximale Schadensbegrenzung hochgerechnet, auf den hatte er sich vergleichsweise schnell hochgearbeitet.

    „Es ist schwer von da hinten, und es war unwahrscheinlich, dieses Rennen zu gewinnen. Aber du glaubst daran“, sagte der Triumphator. Seine Taktik: „Ich habe lange gebetet vor dem Rennen, habe mich konzentriert. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas überhaupt möglich ist. Man kann nur Druck machen und an die Chance glauben, genau das habe ich getan.“ Nach den Hymnen faltete Hamilton im strömenden Regen noch einmal die Hände. Ein Mann wurde erhört.