Hamburg. Der Österreicher Dominic Thiem, Topstar des Tennisturniers am Rothenbaum, über seine Vorliebe für Sandplätze und Norddeutschland

    Warum Dominic Thiem als Sandplatzspezialist gilt, das bewies er in dieser Saison mehrfach. In Buenos Aires (Argentinien) und Lyon (Frankreich) gewann der 24 Jahre alte Österreicher seine Titel neun und zehn auf der ATP-Tour. Beim Masters in Madrid stand er im Finale und unterlag Alexander Zverev (21/Hamburg). Und beim Masters in Monte Carlo (Viertelfinale) sowie bei den French Open in Paris (Finale) war es der beste Sandplatzspieler aller Zeiten, der ihn stoppte – der Spanier Rafael Nadal (32). Warum ihm Sand so gut liegt, warum er dennoch nicht darauf reduziert werden möchte, und was ihm am Norden Deutschlands so gefällt, darüber spricht das Zugpferd des diesjährigen Rothenbaum-Turniers im Abendblatt-Interview.

    Herr Thiem, in Wimbledon mussten Sie vor knapp drei Wochen wegen einer Nackenverletzung Ihr Erstrundenmatch gegen den Zyprer Marcos Baghdatis aufgeben. Die erste Frage muss deshalb lauten: Sind Sie fit genug für den Titel in Hamburg?

    Dominic Thiem: Das hoffe ich. Die Verletzung in Wimbledon war ärgerlich und schmerzhaft, aber keine große Sache. Nach ein paar Tagen war alles wieder okay. Ich hatte Zeit für ein paar Urlaubs- und Erholungstage, und dann lief die Vorbereitung auf Hamburg ganz nach Plan.

    In Wimbledon hätten Sie gern bewiesen, dass Sie nicht nur auf Sand bei Grand-Slam-Turnieren weit kommen können. Ist es für Sie ein Ärgernis, immer als Sandplatzspezialist bezeichnet zu werden, obwohl Sie 2016 in Stuttgart auf Rasen und in Acapulco auf Hartplatz ebenfalls Turniere gewonnen haben?

    Nein, mich stört das nicht. Rafael Nadal wird auch Sandplatzspezialist genannt, obwohl er sogar Grand-Slam-Turniere auf anderen Belägen gewonnen hat. Es stimmt ja, dass Sand mein bester Belag ist. Was mich stört, ist nur, wenn man mich darauf reduziert, dass ich nur auf Sand spielen könnte. Das ist definitiv nicht richtig.

    Wie wird man denn Sandplatzspezialist?

    Bei mir war es so, dass ich im Alter von zehn bis 18 Jahren nur auf Sand trainiert habe. Ich bin darauf also groß geworden, das prägt. Deshalb glaube ich, dass es immer mein bester Belag bleiben wird.

    Viele Topspieler, zu denen Sie als Weltranglistenneunter zählen, meiden nach der Rasensaison die Rückkehr auf Sand, da kurz danach die Hartplatztour in den USA inklusive der US Open ansteht. Warum haben Sie sich in diesem Jahr für Hamburg entschieden?

    Im vergangenen Jahr bin ich nach Wimbledon direkt in die USA gegangen. In diesem Jahr wollte ich das Programm etwas anders gestalten, wollte gern in Hamburg spielen und danach als Highlight mein Heimatturnier in Kitzbühel. Ich glaube, dass ich bei diesen Turnieren wichtige Punkte für die Qualifikation für die ATP-WM holen kann.

    Die Umstellung von Rasen zurück auf Sand ist demnach nichts, was Sie abschreckt?

    Gar nicht. Dadurch dass ich auf Sand aufgewachsen bin, brauche ich eine halbe Stunde dafür, dann ist sie schon geschafft.

    Am Rothenbaum haben Sie erst einmal aufgeschlagen, das war im Jahr 2014. Damals verloren Sie im Achtelfinale gegen den späteren Turniersieger Leonardo Mayer aus Argentinien. Was sind Ihre Erinnerungen daran?

    Nach der Niederlage war ich extrem niedergeschlagen, denn ich kannte das Turnier in Hamburg noch aus meiner Jugend, habe es im Fernsehen verfolgt, als es noch ein Masters war. Ich wollte unbedingt gut spielen, aber war nicht in allerbester Form. Ich hatte noch mit den Folgen meiner Darmerkrankung zu kämpfen, die mich über Jahre beschäftigt hatte. Aber ich habe durchaus gute Erinnerungen an Hamburg. Es ist eine wunderschöne Stadt. An dem Sonntag, als ich ankam, spielte Deutschland gerade das Finale der Fußball-WM gegen Argentinien. In der Nacht konnte ich wenig schlafen.

    Warum hat es bis zu Ihrer Rückkehr nun vier Jahre gedauert?

    2016 war mein Start fest geplant, aber dann bin ich krank geworden. Sonst hätte es nicht so lange gedauert. Für mich ist der Rothenbaum ein sehr wichtiges Turnier, ich kenne die Tradition und die großartige Geschichte. Mir ist es wichtig, einen Beitrag zu leisten, dass solche Turniere ihren Stellenwert nicht verlieren, denn wir brauchen Orte wie diesen.

    Es heißt, dass Sie grundsätzlich sehr gern in Deutschland spielen, dem Land überhaupt sehr viel abgewinnen können. Das ist für Österreicher nicht selbstverständlich. Woher kommt Ihre Zuneigung zu unserem Land?

    Ich finde, dass Österreich und Deutschland sich sehr ähnlich sind. Ich habe tatsächlich eine sehr gute Beziehung zu Deutschland, habe viele Freunde hier, spiele in der Bundesliga. Ich wüsste keine einzige negative Sache zu sagen über das Land.

    Stimmt es, dass Sie sich ein Ferienhaus auf Sylt kaufen wollen?

    Wenn ich mir eins kaufen würde, dann auf Sylt, das stimmt. Seit ich dort einmal im Urlaub war, ist die Insel meine Lieblingsdestination. Ich habe es als magischen Ort empfunden, wahrscheinlich als den schönsten Ort, an dem ich jemals war auf der Welt.

    Und das, obwohl es dort keine Berge gibt. Sind Sie nicht heimatverbunden? Was ist Heimat für Sie?

    Natürlich ist Wien meine Heimatstadt und Österreich meine Heimat. Ich spiele ebenfalls sehr gern in Österreich, dort ist die Unterstützung großartig, das hilft mir. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich mich andernorts nicht auch wohlfühlen könnte.

    Sie gelten als ein guter Freund des besten deutschen Tennisprofis Alexander Zverev. Können Sie verstehen, dass er nun schon im zweiten Jahr auf einen Start bei seinem Heimatturnier am Rothenbaum verzichtet?

    Ich kann das durchaus nachvollziehen. Die Sandplatzsaison ist ihm nicht ganz so wichtig, obwohl er in diesem Jahr sehr stark gespielt hat, wie ich beim Masters in Madrid im Finale selbst erfahren musste. Aber Sascha ist ein Allrounder, und er hat gute Erfahrungen damit gemacht, im vergangenen Jahr nach der Rasensaison sofort auf Hartplatz zu wechseln. Dennoch ist es sicherlich auch für ihn schmerzhaft, auf sein Heimturnier zu verzichten.

    Stimmt es, dass Sie gut befreundet sind?

    Wir verstehen uns sehr gut, gehen auf Turnieren gemeinsam essen oder spielen Karten. Ich habe auf der Tour aber keine guten Freunde. Das funktioniert einfach nicht, wenn man miteinander um Titel konkurriert.

    Apropos Titel: Als Nummer eins der Setzliste sind Sie der natürliche Favorit auf den Turniersieg. Wer könnte Sie gefährden?

    Zunächst einmal nehme ich die Favoritenrolle an. Für mich ist es ein Ansporn, der Topgesetzte zu sein. Positiv für mich ist, dass Rafael Nadal nicht dabei ist, das erhöht die Chancen. Dennoch darf ich niemanden gering schätzen, es ist ein starkes Feld am Start. Den Italiener Marco Cecchinato habe ich in Paris im Halbfinale besiegt, der Bosnier Damir Dzumhur hat Alex Zverev in Paris über fünf Sätze gefordert. Dazu kommen der Argentinier Diego Schwartzman, einige starke Spanier, auch ein Philipp Kohlschreiber. Wenn ich hier nicht meine beste Leistung abrufe, werde ich das Turnier nicht gewinnen.

    Wann werden Sie Ihr erstes Grand-Slam-Turnier gewinnen? Sie zählen auch zur „Next Generation“, zu den Spielern, denen zugetraut wird, mittelfristig die Topstars Nadal, Roger Federer und Novak Djokovic abzulösen. In Wimbledon war von Ihrer Generation wenig zu sehen, alle Halbfinalisten waren älter als 30 Jahre. Wann also beginnt die Ära Thiem/Zverev?

    Es wäre sicherlich gut für uns und für das Tennis, wenn sie irgendwann beginnen würde. Noch aber sind Rafa, Roger und Novak sehr stark. Mich persönlich motiviert eine Niederlage wie im Finale der French Open, noch härter zu arbeiten, um irgendwann ganz oben zu stehen. Es ist sehr viel Arbeit, aber wir können es schaffen.

    Könnte Hamburg Sie denn auch als Grand-Slam-Champion begrüßen? Immerhin ist der Turnierveranstalter vom kommenden Jahr an ein Landsmann, der Österreicher Peter-Michael Reichel. Sichert das Ihr Kommen dauerhaft?

    Ich mache so etwas nicht vom Turnierchef abhängig, ich habe auch mit Michael Stich einen sehr guten Kontakt. Bei mir geht es immer darum, ob ein Turnier in meinen Plan passt. Grundsätzlich bin ich aber durchaus zugeneigt, hier öfter zu spielen. Nun schauen wir erst einmal, was in diesem Jahr möglich ist.