Maria Alm/Hamburg. St. Paulis Präsident Oke Göttlich blickt auf die neue Saison mit den Stadtderbys und spricht über seine Motivation

    Bereits um 5.30 Uhr am Morgen verließ das Team des FC St. Pauli das Hüttendorf Maria Alm, um nach dem Ende des Trainingslagers die Rückreise nach Hamburg anzutreten. In der Eurowings-Maschine ab Salzburg dabei war auch Vereinspräsident Oke Göttlich, der zuvor zur sportlichen Situation und der Ausrichtung seines Vereins Stellung bezog.

    Als Augenzeuge der ernüchternden 1:4-Testspielniederlage gegen den Karlsruher SC versuchte er, diesen sportlichen Rückschlag zu relativieren. „Man sollte den Eindruck von einer Mannschaft nicht von einem Ergebnis abhängig machen. Das sollte man als ehrenamtlicher Präsident ganz besonders verinnerlichen, weil man sonst nur hysterische Fehlentscheidungen treffen würde. Es geht immer um Entwicklungen und Prozesse.“, sagte er. „Das Spiel lässt uns den wieder einmal sehr guten Gesamteindruck dieses Trainingslagers auch nicht verderben.“

    Göttlich nutzte die letzten Tage des Teams in Maria Alm, um etliche persönliche Gespräche zu führen und sich so ein Bild von der Stimmungslage gut zwei Wochen vor dem Saisonstart in Magdeburg (5. August) zu machen. „Hier ist eine Mannschaft zusammen, die aus den letzten Spielen der vergangenen Saison Energie getankt hat. Die Lehren aus diesen Spielen haben Früchte getragen“, sagte er und dachte dabei an die Heimsiege gegen Fürth (3:0) und Bielefeld (1:0), die den Klassenverbleib gesichert hatten.

    Dennoch stellte der bis Herbst 2021 gewählte Präsident klar, dass der FC St. Pauli andere Ansprüche als eine Saison in Abstiegsangst und den am Ende belegten zwölften Platz hat. „Saisonziel ist immer der Platz, auf dem wir in der TV-Geldtabelle stehen. Das ist Rang sieben oder acht“, sagte er. Gern darf es aber auch noch höher hinausgehen. „Der sportliche Erfolg ist das Wichtigste in unserem Verein. Wir sind ein Fußballverein, und nur über den Erfolg kann ein solcher seine Werte maximal in die Gesellschaft tragen“, fügte er an.

    Der Erfolg wird sich gerade in der kommenden Saison aber nicht allein über den Platz in der Abschlusstabelle definieren lassen. Die anstehenden Duelle mit dem Bundesligaabsteiger und Lokalrivalen HSV sind längst ein großes Gesprächsthema. „Natürlich wären Siege im Stadtderby etwas sehr Schönes. Es sind sechs besondere Punkte zu vergeben, und wir wollen Stadtmeister bleiben, gar keine Frage. Aber die Ratio sagt mir, dass es auch nur zwei Spiele in der Saison sind. Sechs Punkte nur gegen den HSV wären zu wenig für unser Saisonziel“, stellte Göttlich klar.

    Deshalb ist für ihn auch logisch, dass ein Bundesligaaufstieg viel wertvoller wäre als Siege im Lokalderby. „Mir geht es um den nachhaltigen Erfolg für den Verein. Und dieser schlägt den emotional größten Erfolg“, sagt St. Paulis Präsident dazu. „Wir setzen uns gern an die Speerspitze der HSV-Jäger.“

    Doch solche Gedanken sind nach der hohen Testspielniederlage gegen Karlsruhe erst einmal zweitrangig. Der Bedarf an Verstärkung ist erkannt. „Es wird noch etwas Neues kommen, aber nur, was uns pointiert guttut“, sagte Göttlich ganz im Sinne von Sportchef Uwe Stöver. Im Gegenzug sollen aber auch noch Spieler den Club verlassen.

    Dazu soll das finanzielle Risiko auch weiter in einem überschaubaren Bereich bleiben. „Der Verein der wirtschaftlichen Vernunft in Hamburg heißt FC St. Pauli. Es gibt keinen anderen“, sagte Göttlich angesichts der Tatsache, dass sein Club nun zum siebten Mal in Folge ein Geschäftsjahr mit einem Gewinn abgeschlossen hat. Und natürlich ist diese Aussage auch ein Seitenhieb auf den Stadtrivalen HSV, der zuletzt Jahr für Jahr rote Zahlen in seiner Bilanz geschrieben hat.

    „Mich beseelt der Wille, unseren Fans zu beweisen, dass Erfolg nicht den Verkauf unserer Werte bedeutet“, sagte Göttlich über seine Motivation als weiterhin ehrenamtlich tätiger Präsident. Dabei darf er sich durch die erste Zwischenbilanz bei der Abwicklung der Ende Juni ausgelaufenen Fananleihe bestätigt fühlen. „Wir können mit rund einer Million Euro planen, die uns bisher von den Anleihezeichnern überlassen worden sind, entweder als Spende oder in Form einer Verzichtserklärung“, bestätigte er.

    Anleihezeichner verzichteten bislang auf eine Million Euro

    Insgesamt waren vor fast sieben Jahren Anleihen für acht Millionen Euro gezeichnet worden. Dass St. Pauli davon eine Million Euro behalten darf, muss dabei längst nicht das Ende sein, weil sich bisher eine Mehrheit der Anleger noch gar nicht entschieden hat, ob sie ihr Geld zurückerhalten oder St. Pauli überlassen wollen. Nach Abendblatt-Informationen wird intern mit einer Quote von einem Drittel gerechnet, das auf eine Rückzahlung verzichtet. Allerdings endet die Frist, sich zu entscheiden, erst am 30. Juni 2020.