Aix-les-Bains. Etappensieger John Degenkolb hat seinen Frieden mit der Tour de France geschlossen

    John Degenkolb war froh, als er in den Flieger stieg. Kein Internet. Keine Nachrichten. Kein Facebook oder Twitter. Kopfhörer auf, Musik an. „Es war schön, einen Moment nur für sich im Kopf zu haben“, erzählte der 29-jährige Geraer im Teamhotel von Trek-Segafredo in Aix-les-Bains. Einen Tag nach seinem Sieg auf der neunten Etappe der Tour de France von Arras nach Roubaix. Auf den Social-Media-Kanälen rieselten die Glückwünsche auf ihn ein, genauso wie in der Whatsapp-Gruppe der zu Beginn elf deutschen Tour-Fahrer. „Selbst Tony Martin hat direkt geschrieben“, berichtete Degenkolb. Wohlgemerkt mit einem Wirbelbruch. Nach seinem Sturz auf dem Kopfsteinpflaster am Sonnabend war der 33-Jährige bereits abgereist.

    Im Flieger fand Degenkolb eine Stunde Zeit, die Bilder und Erinnerungen zu sortieren: die historischen Siege bei den Klassikern Paris-Roubaix und Mailand-Sanremo vor drei Jahren, der schwere Verkehrsunfall 2016, als er fast seinen linken Zeigefinger verlor, die unzähligen Verletzungen, der Tod eines engen Freundes2017, der Sturz und die Knieverletzung in Roubaix im Frühjahr samt vierwöchiger Pause.

    Die Erfahrungen, das Pech, die Schicksalsschläge haben Degenkolb gelassener gemacht. „Man sieht entspannter und reflektierter auf das Ganze. Die schönen Momente und Erfolge kann man noch mehr genießen“, hatte er vor der Tour gesagt. Seine Karriere sei bis zum Unfall in Spanien „immer steil bergauf gegangen“. Danach ging es bergab. Bis Sonntag. „Es war immer mein großer Traum, bei der Tour zu gewinnen.“ Viele hätten ihm das nicht mehr zugetraut, hatte Degenkolb nach dem Rennen gesagt. Seine Frau Laura und seine Familie hätten ihm die nötige Stärke gegeben.

    Laura und die zwei Kinder besuchten ihn am Ruhetag in Aix-les-Bains. „Wir haben gemeinsam am See einen Kaffee getrunken.“ Ein letzter schöner Moment, bevor die Tortour in den Bergen losgeht. In den kommenden Tagen stehen die Bergetappen durch die Alpen an. „Da geht es ums Überleben.“ Im Mittelpunkt stehe nun Kapitän Bauke Mollema, der im Gesamtklassement vorn mitfahren soll. Und Degenkolb? „Wenn man eine Etappe gewinnt, liebäugelt man auch mit einer zweiten.“