Es wird keinen Tennis-Boom geben. Es gab ihn nicht, als Angelique Kerber 2016 die Australian Open gewann, auch nicht, als sie zehn Monate später Nummer eins der Weltrangliste war, nachdem sie Olympiasilber und den Titel bei den US Open geholt hatte. Es ist zu wenig Platz in der Monosportkultur Deutschland neben dem Fußball, um Tennis noch mal zu einem Volkssport zu machen wie zu Hochzeiten Grafs, Beckers und Stichs Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre.

    Das viel wichtigere Zeichen, das vom Wimbledon-Triumph der Kielerin ausgehen sollte, ist dies: Dass belohnt wird, wer sich von Rückschlägen nicht von seinem Lebensweg abbringen lässt. Dass es sich auszahlt, Lehren nicht nur zu erkennen, sondern die Konsequenzen daraus zu ziehen und mit beharrlicher Arbeit eine neue Erfolgsgeschichte schreiben zu wollen. Kerber ist 2017 mit dem Druck, ihre Erfolge bestätigen, die Gejagte, die alle fallen sehen wollen, sein zu müssen, nicht klar gekommen. Vielen Leistungssportlern geht es so. An der Spitze ist es einsam, im Moment größten Erfolgs spürt so mancher die größte Leere. Man braucht psychische Stabilität, um das zu verarbeiten, Erfahrungen, die helfen, die richtigen Schritte abzuleiten.

    Als die Weltranglistenzehnte nach ihrem Wimbledonsieg gefragt wurde, was das Geheimnis ihres neuen Erfolgs sei, sagte sie einen entscheidenden Satz. „Ich bin jetzt 30 Jahre alt, und ohne das Jahr 2017 wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.“ Das stimmt: Kerber musste für sich herausfinden, was ihr guttut. Sie hat sich für den Neustart entschieden, indem sie sich schweren Herzens von Cheftrainer Torben Beltz trennte und zu Wim Fissette wechselte. Sie hat für sich beschlossen, nur noch das zu tun, was sie für richtig hält, anstelle es immer allen anderen recht machen zu wollen. Und sie hat trotzdem nie ihr Team vergessen, geschweige denn, wo ihre Wurzeln sind.