London. Angelique Kerber trifft im Wimbledon-Finale auf Serena Williams, die Bezwingerin von Julia Görges

    Ein letzter Lob von Julia Görges, unter Druck kurz hinter die Grundlinie platziert, ließ den Traum vom deutschen Finale endgültig zerbrechen. Zerstört hatte ihn allerdings nicht die couragiert kämpfende Deutsche, sondern einzig Serena Williams. Rund elf Monate nach der Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia ist die 36 Jahre alte US-Amerikanerin bei den All England Championships in Wimbledon auf dem besten Weg, mit Grand-Slam-Rekordsiegerin Margaret Court (Australien/24 Titel) gleichzuziehen. Verhindern kann dies nach dem 6:2, 6:4-Triumph innerhalb von 70 Spielminuten am Sonnabend (15 Uhr/Sky und ZDF live) in einer Neuauflage des Finales von 2016 nur noch Angelique Kerber (30). Die Kielerin gewann ihr Halbfinale gegen die Lettin Jelena Ostapenko nach 68 Spielminuten mit 6:3, 6:3 ebenso souverän.

    „Es ist verrückt, hier im Finale zu stehen. Ich habe das nicht erwartet und empfinde es auch definitiv nicht als normal“, sagte Williams, die gegen die 29 Jahre alte Weltranglisten-13. aus Bad Oldesloe zu keiner Phase des Matches ernsthaft in Bedrängnis geraten war. Wie man die wegen der Babypause auf Position 181 abgerutschte, siebenfache Wimbledonsiegerin bespielen muss, zeigte Görges aber durchaus. Wenn sie mutig attackierte und Williams ins Laufen brachte, war die Partie offen. Allerdings gestattete die US-Amerikanerin bei eigenem Aufschlag der Gegnerin kaum Möglichkeiten zur Entfaltung. Nur ein Break gelang Görges, die ihrerseits viermal ihren Aufschlag abgeben musste. Da halfen 20:16 Gewinnschläge und eine geringe Anzahl an unerzwungenen Fehlern (elf) nichts.

    „Der Unterschied war, dass sie die Erfahrung hat, solche Spiele zu gewinnen, und ich nicht. Aber ich kann stolz auf meine Leistung sein“, sagte die seit drei Jahren in Regensburg lebende Norddeutsche, die zwar auch das vierte Duell mit Williams verlor, sich mit ihrer ersten Halbfinalteilnahme auf Grand-Slam-Niveau aber neue Fans erarbeitete, was nicht nur die Sympathien der Besucher auf dem Centre-Court widerspiegelten. Kaum überraschend also, dass sie Wimbledon 2018 als Meilenstein einordnete. „Ich werde viele Erfahrungen mitnehmen und möchte noch öfter gegen Serena spielen, weil ich mich verbessern will.“ Am Montag wird sie als Zehnte erstmals unter den Top Ten der Damentenniswelt notiert. Belohnen wird sie sich nach der Rückkehr in die Heimat mit einem Döner. „Darauf freue ich mich schon jetzt“, sagte sie.

    Auf eine ähnliche Belohnung muss Kerber noch warten. Sie hatte im ersten Halbfinale die Hoffnung auf den ersten deutschen Damentriumph in Wimbledon seit Steffi Graf 1996 und das zweite deutsche Endspiel seit 1931 (Cilly Aussem 6:2, 7:5 gegen Hilde Krahwinkel) am Leben erhalten. Die Weltranglistenzehnte, die sich mit ihren bisherigen Erfolgen bereits auf Rang sechs verbesserte, musste im siebten Grand-Slam-Halbfinale ihrer Karriere vor allem Geduld beweisen. Die Ranglistenzwölfte Ostapenko aus Riga, die auf dem Weg in ihr erstes Wimbledon-Halbfinale keinen Satz und die wenigsten Spiele, genau 32, verlor, würde in England auch als Fußball-Hooligan eine gute Figur abgeben mit ihrer Neigung, auf alles zu prügeln, was sich bewegt. Ihre Aufschläge schickt sie mit einem Stöhnen übers Netz, das klingt, als hätte gerade jemand kräftig auf ein Meerschweinchen getreten.

    Als Jugendliche hatte sich die French-Open-Siegerin von 2017 sieben Jahre lang als Standardtänzerin versucht. Samba sei ihr Lieblingstanz, antwortet die 21-Jährige denen, die danach fragen. Rhythmische Bewegungen im Zweivierteltakt scheinen zwar so gar nicht zu passen zum Brachialtennis der Lettin, wohl aber das Draufgängerische, Offenherzige, das der in Brasilien entstandene Volkstanz repräsentiert. Und so war Ostapenko diejenige, die das Risiko einging, das Tempo diktierte – und die Fehler machte. 36 gegenüber den sieben, die Kerber produzierte, erzählen die Geschichte eines Halbfinales, das angesichts des Ergebnisses einseitiger wirkte, als es tatsächlich war.

    „Ich wusste, dass sie voll attackieren würde. Der Schlüssel war, geduldig zu bleiben und gut aufzuschlagen“, sagte Kerber, der es auf bewundernswerte Art gelang, die Ruhe zu bewahren. 77 Prozent ihrer ersten Aufschläge (Ostapenko nur 56) spielte sie ins Feld, was ein weiterer Faktor war. Vier ihrer sieben Breakchancen nutzte sie, während die zu oft überhastet agierende Kontrahentin nur eine aus fünf in einen Spielgewinn ummünzen konnte. „Der Centre-Court ist deutlich langsamer als die anderen Plätze, das kam ihr entgegen. Sie hat aber auch sehr gut defensiv gespielt und gut aufgeschlagen“, sagte Ostapenko. Sie wird weitere Grand-Slam-Titel holen, wenn sie lernt, den jugendlichen Elan mit der Erfahrung zu paaren, die Kerber am Donnerstagmittag auf dem fast voll besetzten Centre-Court ausstrahlte.

    Inwieweit Kerber diese im Endspiel hilft, bleibt abzuwarten. 2:6 lautet ihre Bilanz gegen Williams, das Finale 2016 war das einzige Duell auf Rasen. „Es wird ein völlig neues Match mit dem einzigen Unterschied, dass ich weiß, was mich erwartet“, sagte sie. Williams sagte, Kerber sei eine starke Gegnerin, die sie gern spielen sehe. Am Sonnabend, so viel ist sicher, wird sie aber nicht nur zusehen, sondern versuchen, auch den letzten deutschen Traum zu zerstören.