London. Görges und Kerber wollen heute das erste deutsche Damenfinale in Wimbledon seit 1931 perfekt machen

    Was sie davon halten würde, dass mit Julia Görges (29) und Angelique Kerber (30) zwei deutsche Spielerinnen das Halbfinale erreicht haben?, wurde Serena Williams nach ihrem Viertelfinalsieg über die Italienerin Camila Giorgi gefragt. „Das sind zwei großartige Spielerinnen, sehr professionelle und sympathische Mädchen“, sagte die US-Amerikanerin, die bei den All England Championships in Wimbledon am Sonnabend ihren achten Titel gewinnen will. Die 36-Jährige, nach der Geburt ihrer nun zehn Monate alten Tochter Alexis Olympia erst im Frühjahr wieder auf die Tennistour zurückgekehrt, ist nach 23 Grand-Slam-Titeln geschult darin, Nettigkeiten über die Konkurrenz zu sagen, um auf dem Platz dann mit der Wucht ihrer Grundschläge Vernichtung über sie zu bringen.

    Zumindest den ersten Teil der Lobeshymne glaubt Julia Görges erst seit einigen Tagen. Dass sie auf Rasen eine großartige Spielerin sein kann, dem Belag, mit dem sich die Weltranglisten-13. am schwersten anzufreunden verstand, das haben ihr erst die fünf Siege an der Church Road verdeutlicht. 2012 hatte sie zuletzt in Wimbledon die Auftaktrunde überstanden, nun steht sie heute (15.15 Uhr/Sky) im ersten Grand-Slam-Halbfinale ihrer Karriere der großen Serena Williams gegenüber.

    Die Waffen, um auf Rasen erfolgreich zu sein, hat die in Bad Oldesloe aufgewachsene Rechtshänderin. Ein starker Aufschlag – im Turnierverlauf schlug sie die meisten Asse – und der Mut zu risikoreichem Angriffstennis sind die Zutaten, die die Draufgängerin unter die besten vier führten. Aber erst die 2017 erfolgte Aufnahme des Ex-Profis David Prinosil (45) ins Trainerteam habe dazu geführt, dass sie an diese Stärken zu glauben begonnen habe, erzählt sie. Der entscheidende Wendepunkt in Görges‘ Karriere liegt drei Jahre zurück. Im September 2015 entschied sie sich nach siebenjähriger Zusammenarbeit zur Trennung von ihrem Chefcoach Sascha Nensel, zog nach Regensburg und arbeitet dort seitdem mit Trainer­ Michael Geserer und Physiotherapeut Florian Zitzelsberger. „Ich brauchte einen Neustart, um das Beste aus mir herausholen zu können“, sagte sie. Die Zeit, sich auf die neuen Umstände einzustellen, habe sie sich bewusst gegeben. „Jetzt zahlt sich alles aus, und das ist schön zu sehen.“ Die wichtigste Veränderung sei, dass sie das Leben abseits des Tennis mehr zu genießen gelernt habe. „Ich bin viel positiver und habe mehr Spaß als früher.“

    Die Fertigkeiten, Serena Williams im vierten direkten Duell erstmals den Spaß zu verderben, hat Görges, die auf der WTA-Tour bislang fünf Titel gewann. Gelingt es ihr, die noch immer etwas statisch wirkende „Supermami“ ins Laufen zu bringen, ist der Finaleinzug möglich. Helfen könnte die Unbeschwertheit der Außenseiterin – und die sie von Angelique Kerber (Nr. 10) unterscheidet.

    Für die Kielerin spricht vor ihrem ersten Duell mit der Lettin Jelena Osta­penko­ (21/Nr. 12), dass sie all das, was nun kommt, kennt. Während die Siegerin der French Open 2017 in Wimbledon erstmals die Vorschlussrunde erreichte, stand Kerber 2012 und 2016 im Halbfinale, 2016 verlor sie im Endspiel gegen Serena Williams. Es ist diese Erfahrung, die ihr hilft, die Ruhe zu bewahren: „Für mich war es wichtig, gut ins Turnier zu finden. Ich habe in den ersten Runden nicht mein bestes Tennis gespielt, aber jetzt bin ich in den Abläufen drin.“

    Ein deutsches Finale klinge cool, sagte Görges. Mehr Vorausschau wollten beide nicht wagen. Eine Favoritin gibt es, seit die zehn Topgesetzten das Viertelfinale verpasst haben, sowieso nicht mehr.