Sarzeau. Bei der Tour de France warten die erfolgsverwöhnten deutschen Sprinter weiter auf einen Etappensieg

    Im Radsport ist der Sprint eine Sache für Adrenalin-Junkies. Fahrer, die bereit sind, erbarmungslos durch eine Lücke zu schießen, Ellenbogen an Ellenbogen um den vordersten Platz zu kämpfen und nicht eine Hundertstelsekunde an die Folgen eines Sturzes zu denken. Es bedeutet, 194,5 Kilometer sich in Position zu bringen, um in den letzten 500 Metern alles auf Rot oder Schwarz zu setzen. Emotionaler geht es nicht.

    So war es auch am Dienstag bei der vierten Etappe der Tour de France. Sarzeau, das Ziel in der kleinen Stadt von Bürgermeister und UCI-Präsident David Lappartient, konnte diese nervenaufreibende Rennphase noch einmal verschärfen mit einem fast vier Kilometer geradem Schlussstück. Wie das Ende einer Formel-1-Rennstrecke.

    Eine Strecke wie gemacht für die deutschen Sprinter. Marcel Kittel und André Greipel, aber auch Klassiker-Spezialist John Degenkolb sind solche Adrenalin-Junkies, denen das Sarzeau-Finish liegen sollte.

    Als das Fahrerfeld die Gerade entlang schoss, war Greipel tatsächlich vorne mit dabei – aber auch der Kolumbianer Fernando Gaviria von Quick-Step-Floors, der die erste Etappe gewinnen konnte. Kurz sah es so aus, als könne der Rostocker vom Team Lotto Soudal den Sieg holen. Greipel riss an seinem Lenker, holte alles heraus, stampfte, schob. Doch Gaviria machte hauchdünn das Rennen. Dicht dahinter Peter Sagan (Bora-hansgrohe) und, auf Platz drei, André Greipel. Die deutschen Sprinter waren erneut leer ausgegangen.

    André Greipel musste sich nach dem Sprint erst mal auf die Stufe des Busses setzen. Immer wieder schüttelte der elfmalige Tour-Etappensieger den Kopf. Auf die Frage, ob er jetzt wieder da sei, sagte der 35-Jährige: „Ich war nie weg.“ Bei der zweiten Etappe fuhr er auf Platz vier – und jetzt Rang drei. Wieder kein Sieg. „Für einen Moment habe ich das Vorderrad vorne gehabt, es war Kopf an Kopf.“ Am Ende sei der Sprint „Russisches Roulette“ gewesen. „Ich wollte das Glück nicht herausfordern, sondern die Leistung sprechen lassen.“ Aber da war eben noch der 23 Jahre junge Gaviria. „Gegen ihn zu verlieren, den Stern am Sprint-Himmel, ist auch nicht so verkehrt“, sagte Greipel.

    Der Massensturz fünf Kilometer vor Schluss hatte keine Auswirkungen auf Greipels Plan, auch nicht auf den von Marcel Kittel. Der 30-Jährige konnte im Vorjahr noch fünf Etappen gewinnen. Am Dienstag kam der Katusha-Kapitän allerdings nicht richtig durch und landete nur auf dem fünften Rang. John Degenkolb (Trek-Segafredo) erreichte als Achter das Ziel. Der belgische Olympiasieger Greg Van Avermaet (BMC) verteidigte das Gelbe Trikot erfolgreich, das er am Dienstag im Teamzeitfahren erobert hatte. Die Favoriten auf den Gesamtsieg, darunter der vierfache Tour-Sieger Chris Froome (Sky), blieben ohne Zeitverlust.

    Die deutschen Radsport-Fans müssen damit weiter auf einen Etappensieg bei der 105. Tour de France warten. Am nächsten Freitag in Chartres bietet sich den Sprintern die nächste Gelegenheit auf einen Sieg, bevor es in die Berge geht. Die 204,5 Kilometer lange Etappe von Lorient nach Quimper an diesem Mittwoch ist mit fünf Bergwertungen eher etwas für Klassiker-Jäger wie John Degenkolb.

    Der 29-Jährige hatte vor dem Start der Frankreich-Rundfahrt gesagt: „Ein deutscher Sieg ist schon ein großes Ziel. Das ist uns in den vergangenen Jahren auch immer ganz gut gelungen.“ Bislang allerdings noch nicht.