Silverstone. Heppenheimer baut mit Sieg in Silverstone den Vorsprung in der Formel-1-WM auf Rivalen Lewis Hamilton aus

    Der Rennsonntag fängt mit einem deutschen Sieg durch Maxi Günther in der Formel 2 an, da will Sebastian Vettel nicht nachstehen: Der Ferrari-Pilot fährt beim Großen Preis von Großbritannien den vierten Saisonsieg ein und kommt damit als WM-Spitzenreiter mit acht Punkten Vorsprung in zwei Wochen auf den Hockenheimring. Sein großer Gegenspieler Lewis Hamilton wird Zweiter, nachdem er von Kimi Räikkönen nach dem Start von der Piste gerammt worden war und als Letzter die Verfolgung aufnehmen musste. Ein verrücktes, aber grandioses Formel-1-Rennen.

    „Ich bin sehr, sehr glücklich“, sagt Vettel nach seinem 51. Grand-Prix-Sieg, der ihn in der ewigen Bestenliste zusammen mit Alain Prost auf Rang drei bringt, „ein fantastisches Rennen. Es hat mir viel Spaß gemacht, den Leuten sicher auch.“ Der geschlagene Hamilton sorgt für einen Affront, er kommt nicht zu den Interviews auf der Zielgeraden. Ärger und Frust an einem Tag, der der größte dieser Saison werden sollte. Buhrufe für Vettel und Räikkönen, Pfiffe auch für Hamilton. Die Atmosphäre bleibt aufgeheizt. „Sorry, dass ich es nicht geschafft habe heute. Aber ich werde nicht aufgeben“, ruft Hamilton, nachdem die Menge die Piste gestürmt hat.

    Ein ganzes Land dreht durch. Nach einer der besten Qualifikationsrunden seines Rennfahrerlebens steht Lewis Hamilton zum sechsten Mal auf der Pole-Position in Silverstone, das ist Rekord. Und das perfekte Vorspiel für den englischen Sieg über Schweden bei der Fußball-WM. Doch was das Delirium vom Sonnabend wert ist, zeigt sich immer erst tags darauf.

    Wieder drehen sie durch, aber diesmal sind das die Reifen an Hamiltons Silberpfeil. Rechts zieht Vettel vorbei, im Qualifying nur um einen Hauch besiegt, und auch der Finne Valtteri Bottas. In dem Moment, als der Weltmeister dem Duo nachhetzt, trifft ihn ein Schlag von hinten. Kimi Räikkönen hat ihm mit dem Ferrari einen Bodycheck gegeben, Hamilton kreiselt raus. Als sich der Staub legt, nimmt er das Rennen wieder auf – von Rang 18. „Mein Fehler, das passiert manchmal“, gibt Räikkönen zu.

    Doch die Wut treibt Hamilton, auch wenn er über Funk befürchtet, dass sein Auto gleich auseinanderbrechen werde. „Wir sehen nichts“, beruhigt ihn der Ingenieur, „Du machst einen Riesenjob.“ Nach sechs Runden ist Hamilton schon wieder in den Punkterängen, justament als Räikkönen für seinen Rammstoß eine Zehn-Sekunden-Strafe aufgebrummt wird. Fast ein bisschen wenig dafür, dass er Hamilton und dem Publikum das Rennen kaputt gemacht hat. „Ich weiß nicht, wie lange das Auto hält“, zweifelt Hamilton. Aber es scheint zu laufen wie am Sonnabend. Es geht immer weiter nach vorn. Jetzt gilt erst recht, was Teamchef Toto Wolff ohnehin als Taktik angeordnet hatte: „Volle Attacke!“ Hamilton bleibt am längsten von der Spitzengruppe draußen, seine Reifen sind trotz der brütenden Hitze in Mittelengland noch in Ordnung. Zwischenzeitlich liegt er auf dem dritten Rang. Seinen Teamkollegen Bottas hat er passieren lassen, damit dieser Vettel angreifen kann. Hamilton reiht sich nach 25 Runden als Sechster wieder ein. Die lila Zahlenkolonnen, die auf den Zeitenschirmen von den schnellsten Runden künden, leuchten für Hamilton auf, er fährt anderthalb Sekunden schneller als die Spitze. Da fährt einer mit sich selbst um die Wette, ein weltmeisterlicher Ritt.

    Der jäh gestoppt wird durch einen Hochgeschwindigkeitsunfall von Marcus Ericsson, der 20 Runden vor Schluss eine Safety-Car-Phase hervorruft. Der große Vorsprung von Vettel auf Hamilton ist dahin. Vier der ersten sechs nutzen die Neutralisierung zum nochmaligen Reifenwechsel, nur die Mercedes-Piloten nicht. Bottas führt vor Vettel und Hamilton. Vor dem Re-Start ist Hamilton wegen der frischen Pneus der Konkurrenz beunruhigt, aber der Kommandostand versucht ihn zu überzeugen: „Du hast das schnellste Auto im Feld.“ Es ist das dritte Mal in dieser Saison, dass die Mercedes-Strategen diese Chance verstreichen lassen, zweimal ging das schief … Hamilton scheint damit nicht einverstanden. „Wie soll ich denn Vettel schlagen, wenn er frische Reifen hat?“, fragt er.

    Neustart in der 37. Runde, Bottas bleibt fast stehen, alle rücken auf, doch eine Positionsveränderung gibt es nicht. Als das Duell Räikkönen gegen Verstappen zu eskalieren droht, staubt es schon wieder richtig, Romain Grosjean und Carlos Sainz bugsieren sich in die Reifenstapel, wieder muss das Safety-Car raus. Elf Runden vor dem Ende wieder das Spielchen zwischen Bottas und Vettel, Hamilton lauert.

    Fünf Runden vor Schluss schnappt sich Sebastian Vettel dann Bottas, der die Chance auf seinen ersten Sieg vergibt. Vettel war danach nicht mehr zu stoppen – und das trotz eines verletzten Nackens. „Mit dem ganzen Adrenalin ist das vergessen“, beteuerte Vettel. „Ich war wirklich besorgt, er hat heute gekämpft wie ein Löwe“, sagte Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene.

    Ein ähnliches Manöver liefern sich Hamilton und Bottas, damit es nicht nach Stallorder aussieht, als sie die Plätze tauschen. Bottas zieht auch im Duell mit Räikkönen den Kürzeren, fällt auf Rang vier zurück. Ein italienischer Funkspruch beendet das Rennen standesgemäß: „Grandissimo!“