Nischni Nowgorod. Abgezockter 2:0-Sieg beschert Équipe Tricolore zum sechsten Mal die Vorschlussrunde. Südamerikaner bleiben ohne Stürmer Cavani blass

    Antoine Griezmann jubelte nicht. Aus Verbundenheit zu Uruguay, das er „bewundert“, wie er später sagte. Seine Enthaltsamkeit traf die Stimmung des Moments aber auch deshalb so gut, weil man einfach Mitleid haben musste mit Fernando Muslera. Selbst ins Netz gepritscht hatte sich der erfahrene Torwart den Ball nach einem flatternden Schuss des französischen Angreifers, wodurch in dieser 61. Minute in Nischni Nowgorod zweierlei zu konstatieren war: Loris Karius ist überall. Und das erste WM-Viertelfinale 2018, es war praktisch entschieden.

    Griezmanns Tor nämlich bedeutete das 2:0 für Frankreich, und auch wenn die Uruguayer bis zum Schluss fighteten – letztlich fehlten ihnen die Mittel, um noch einmal für Bewegung auf der Anzeigentafel zu sorgen. Frankreich eliminierte damit nach dem 4:3 gegen Argentinien im Achtelfinale das zweite südamerikanische Traditionsteam und ist nun seit zehn WM-Spielen gegen Mannschaften vom zweiten großen Fußballkontinent ungeschlagen. Mit seinem Talent und seinem Tempo geht es nicht als Außenseiter ins Halbfinale am Dienstag in Sankt Petersburg.

    Das Märchen vom kleinen Uruguay und seinem Traineroldie Óscar Tabárez hingegen ist vorbei. Was gefehlt habe, wurde der „Maestro“ nach dem Spiel gefragt. „Den Rivalen zu überwinden“, antwortete er. „Frankreich hat besser gespielt, Glückwunsch.“

    Wie der 71-Jährige zutreffend analysierte, waren „die ersten 40 Minuten ausgeglichen“. Ein nicht ganz unerhebliches Detail ließ er unerwähnt: aus vergleichbaren Situationen erzielten die Franzosen ein Tor, und Uruguay nicht. Es war gewissermaßen ein Kopfball-Shootout. Für die Franzosen kreuzte Innenverteidiger Raphael Varane nach einer Freistoßflanke von Griezmann durch den Strafraum und streichelte den Ball zum 1:0 ins lange Eck (40. Min.). Für Uruguay dagegen scheiterte Martín Cáceres vier Minuten später, ebenfalls per Kopf, ebenfalls nach Freistoß, an einer grandiosen Parade von Hugo Lloris.

    Uruguays Fans rauften sich die Haare, sie ahnten das Problem, nicht zu viele Chancen auslassen zu dürfen – denn sie hatten schon vor Spielbeginn eine denkbar schlechte Nachricht zu verkraften: Edinson Cavani war auf dem Spielberichtsbogen mit einem „I“ vermerkt. I für „Injured“. Verletzt. Seine scheinbar problemlose Teilnahme beim Abschlusstraining war offenbar nicht mehr als ein Bluff gewesen. So ein Verlust ist kaum zu kompensieren, erst recht nicht für ein so kleines Land. Der „Matador“ hatte Portugal im Achtelfinale mit zwei Toren allein erledigt.

    Den Franzosen fehlte demgegenüber „nur“ der gelbgesperrte Mittelfeldmann Blaise Matuidi. Für ihn kam mit Corentin Tolisso der letzte im Turnier befindliche Bayern-Spieler zum Einsatz. Er wälzte sich fast so viel auf dem Boden wie er spielerischen Eindruck hinterließ – die Franzosen waren stets darum bemüht, den argentinischen Schiedsrichter Pitana für die Härte der uruguayischen Tacklings zu sensibilisieren. Shooting Star Kylian Mbappé holte sich wegen einer Schauspieleinlage in der zweiten Halbzeit sogar eine Verwarnung ab.

    Mbappé verließ kurz vor Schluss den Platz, diesmal ohne Tor, aber dafür hatte ja Angriffspartner Griezmann getroffen – wenn auch in dem Spiel, in dem er es wohl am wenigsten gewollt hatte. Sogar als WhatsApp-Profil hat er die uruguayische Fahne schon mal gehabt und beim Betreten des Stadions in Nischni Nowgorod wurde er mit dem landestypischen Matetee-Becher gesehen. Nicht zuletzt ist sein uruguayischer Vereinskollege bei Atlético Madrid, Diego Godín, der Patenonkel seiner Tochter.

    Doch als er kurz vor Schluss noch mal einen Freistoß schoss, da musste Griezmann mit ansehen, wie José María Giménez, ein weiterer Vereinskollege, in der Mauer schon weinte angesichts der Niederlage. „Heute ist ein Traum geplatzt“, sagte Trainermaestro Tabárez und hinterließ noch einen erbaulichen Gedanken für die Zukunft: „Aber es werden neue Träume kommen. Lasst sie uns verfolgen.“

    Uruguay: Muslera – Caceres, Gimenez, Godin, Laxalt – Torreira, Vecino – Nandez (73. Urretaviscaya), Bentancur (59. Rodriguez) – Suarez, Stuani (59. Gomez).
    Frankreich: Lloris – Pavard, Varane, Umtiti, Hernandez – Kante, Pogba – Mbappe (88. Dembele), Griezmann (90.+3), Tolisso (80. N’Zonzi) – Giroud. Tore: 0:1 Varane (40.), 0:2 Griezmann (62.). Zuschauer: 43.319 (ausverkauft). Schiedsrichter: Pitana (Argentinien). Gelb: Bentancur (2), Rodriguez – Lucas, Mbappé. Statistik: Torschüsse: 12:11; Ecken: 4:3; Ballbesitz: 40:60 Prozent; gewonnene Zweikämpfe: 118:128.