Hamburg. Markus Klug geht mit drei Pferden ins 149. Deutsche Derby, sein Kollege Andreas Wöhler hat vier Starter. Das Duell zweier Toptrainer

    Eigentlich steht das 149. Deutsche Derby am Sonntag für Markus Klug unter keinem guten Stern. Die Aussichtsplattform auf dem Waage-Gebäude, jener Ort, von dem er seine beiden Triumphe in Hamburg-Horn verfolgt hatte, ist gesperrt. Die Treppe ist ebenso gesperrt wie der Dachbereich selbst. Die Zeichen der Zeit nagten an dem Gebäude. Kein Grund zur Panik für den Erfolgstrainer: „Ich bin ohnehin nicht so der abergläubische Typ. Wenn ich Sonntag zufällig den gleichen Anzug aus dem Schrank ziehe wie im vergangenen Jahr, schön. Wenn nicht, auch nicht schlimm“, sagt Klug, der mit drei Pferden, darunter die Mitfavoriten Weltstar mit Jockey Adrie de Vries und Destino unter Rennreiter Martin Seidl in den Kampf um das „Blaue Band“ einzieht.

    Der im rumänischen Arad geborene und in Rastatt aufgewachsene Trainer macht keinen Hehl daraus, wie sehr er sich auf das Deutsche Derby freut. Will er das prestigereiche Rennen zum dritten Mal nach 2017 und 2014 gewinnen, muss er einen langjährigen Rivalen schlagen. Andreas Wöhler (56), dessen Pferd Royal Youmazin als absoluter Topfavorit in das mit 650.000 Euro dotierte Hauptrennen geht, ist für Klug (42) seit Jahren der große Konkurrent. Dazu passt, dass bei vielen Wettern ein Zweikampf zwischen Youmzain und Weltstar erwartet wird.

    Die Rivalität zwischen den beiden Ausnahmetrainern ist in etwa so, wie im Fußball ein Duell zwischen Liverpools Jürgen Klopp und Pep Guardiola, Coach bei Manchester City. Man schätzt sich, man respektiert sich, will aber den Sieg. Unbedingt. „Ein schöner Vergleich“, sagt Klug, der Hobbyfußballer und Dauerkarteninhaber bei Borussia Mönchengladbach ist. „Da es dem Galoppsport nicht so gut geht, muss man zusammenhal- ten. Wir sind eher wie eine große Familie.“ Natürlich sind die anderen großen Quartiere Konkurrenten in den großen Rennen. „Es ist aber nicht so, dass ich mich besonders freue, wenn ich mit meinem Pferd gegen eines von Herrn Wöhler gewinne.“

    Im Kölner Gestüt Röttgen trainiert er rund einhundert Pferde. Um bestens vorbereitet zu sein, beschränkt sich Klugs Arbeit nicht nur auf das Training. Regelmäßig setzt er sich abends mit dem Laptop hin und betreibt – wie im Fußball üblich – Videostudium. „Ich analysiere, mit welcher Taktik die Pferde bisher gelaufen sind. Auch wenn jedes Rennen natürlich anders verläuft, kann man gewisse Tendenzen auf dem Videomaterial erkennen.“

    Mutmaßlich hat er diese auch bei den Konkurrenten am Sonntag erkannt. Besonders bei den Pferden des Kollegen Wöhler. Neben Royal Youmazin, geritten von Stammjockey Eduardo Pedroza, hat er Chimney Rock unter Jockey Bauyrzhan, Zargun mit Clément Lecoeuvre im Sattel sowie Aldeman mit Jozef Bojko am Start. „Vom Favoriten bis zum Außenseiter ist alles dabei“, sagt Wöhler. Und bestätigt etwas wortkarger, was Klug schon gesagt hat. „Zweikampf? Warum? Wir sitzen alle im gleichen Boot.“

    Den gebürtigen Dortmunder merkt man Wöhler nicht an. Aber den Norddeutschen. Als er zehn Jahre alt war, zog Vater Adolf, ebenfalls ein erfolgreicher Galopp-Trainer (zwei Derby-Siege) mit der Familie nach Bremen um. Und so wurde aus dem Sohn sprachlich gesehen kein mitteilsamer Ruhrpottler, sondern ein eher bärbeißiger Fischkopf.

    2004 hat er den Norden wieder verlassen. Mit seinem damals schon großen Stall sowie Ehefrau Susanne verließ er die Galopprennbahn in der Vahr Richtung Ostwestfalen. Seinen Expansionsplänen hatten die Bremer nicht genügen können. Seither setzt er als Pächter des Gestüts Ravensberg in Spexard bei Gütersloh im eigenen Stall seine Arbeit als Betreuer und Züchter von Spitzenpferden erfolgreich fort, dort wo die Bertelsmänner und die Mieles die Konzernzentralen ihrer Unternehmen haben und Pferdenarren das Herz des Rennsport glauben schlagen zu hören.

    Die meisten der 29 Mitarbeiter in den Ställen sind schon lange dabei. Eduardo Pedroza (42) vor allem. Der Mann aus Panama fing 1995 in Bremen als vierter Jockey bei Wöhler an. Seit 2003 ist er die erste Stammkraft im Sattel, 14-mal versuchte er schon das Derby zu gewinnen. „Wir sind wie Werder Bremen“, antwortet Wöhler, angesprochen auf die Verweildauer seiner Leute. Die Liebe zum grün-weißen Fußball-Erstligisten an der Weser hat er beim Umzug nach Gütersloh mitgenommen.

    Dass ihm von den Besitzern die teuersten Vollblüter anvertraut werden und bei den Rennen im In- aber auch Ausland viele Millionen Euro an Preisgeldern einbringen, hat mit einem besonderen Talent des Trainers Wöhler zu tun. Angeblich, so beschreiben es Insider, hat er ein ganz feines Gespür und Auge für die Tiere. Er weiß, ob es dem Vierbeiner gut geht, was ihm fehlt, wie viel es kann und was. „Ein Pferd kann ja nicht sprechen“, sagt Wöhler. „Also muss man sich täglich mit ihm beschäftigen.“ So banal kann ein Erfolgsrezept sein.

    Natürlich verschließt sich auch er nicht modernen Trainingsansätzen. Schon 1991 holte sich Wöhler Hilfe beim amerikanischen Pferdeflüsterer Monty Roberts, als sein damaliges Paradepferd Lomitas wegen Platzangst in der Startmaschine lebensgefährdend scheute. „Fußballtrainer entwickeln sich weiter. Selbstverständlich tue ich es auch.“

    Bislang gelangen von Wöhler trainierten Pferden vier Derby-Siege. Pik As (1991), Belenus (1999), Waldpark (2011) und Isfahan (2016). Royal Youmzain im Besitz von Jabar Abdullah aus Dubai soll der nächste sein. Oder einer von seinen anderen Startern. „Ich lasse mich überraschen“, sagt Wöhler. Wie die Kollegen hat er am Sonntag genug zu tun, um sich abzulenken, falls er nach 30 Jahren doch ein wenig Aufregung spüren sollte, wenn sich um 16.55 Uhr die Startboxen öffnen.

    Markus Klug sieht das ähnlich. „Ich stehe auf, gehe frühstücken und werde ganz entspannt auf die Bahn kommen. Wir haben sehr viele Starter, auch im Rahmenprogramm.“ Fürs Daumendrücken sind es zu viele.