Hamburg. HSVH-Vizepräsident spricht über die Planungen für die Zweitliga-Saison und den Masterplan: Bundesliga, Champions League.

    Martin Schwalb(55) feierte am Dienstag dieser Woche „meinen vierten Geburtstag“, wie er sagt. Vier Jahre ist es her, als der Handballtrainer nach einem schweren Herzinfarkt, den er zu Hause erlitten hatte, mit einem Hubschrauber in die Asklepios Klinik Nord in Heidberg geflogen wurde. „Ich denke noch jeden Tag daran. Solch ein einschneidendes Erlebnis vergisst du nie. Das verändert dich.“ Heute geht es ihm wieder gut, er raucht seit dem Infarkt nicht mehr, treibt trotz künstlicher Hüfte regelmäßig Sport und „ist viel gelassener geworden. Ich rege mich weniger auf als früher. Die Spitzen fallen weg“, erzählt er beim Mittagessen im Stock’s, seinem bevorzugten Restaurant in Lemsahl-Mellingstedt. Einen Großteil seiner Energie steckt der „leidenschaftliche Sportfan“ als Vizepräsident in den Handball Sport Verein Hamburg. „Das ist mein Baby“, sagt der ehemalige HSV-Meistertrainer, „aber zum Glück haben wir viele Väter.“ Schwalb lacht und bestellt Hamburger Backfisch mit Kartoffelstampf und eine große Cola light.

    Herr Schwalb, mit dem Kieler Rechtsaußentalent Thies Bergemann hat der Handball Sport Verein Hamburg erst einen neuen Spieler für die nächste Saison verpflichtet. Brauchen Sie nach dem Aufstieg in die Zweite Bundesliga keine Verstärkungen mehr?

    Martin Schwalb: Wir haben eine junge, talentierte, hungrige und vor allem entwicklungsfähige Mannschaft mit einem guten Teamgeist. Diesem Kader vertrauen wir, in der Truppe steckt viel Potenzial. Wir brauchen aber noch einen starken Torhüter, den glauben wir mit dem Isländer Aron Rafn Edvardsson gefunden zu haben. Wir sind uns mit ihm grundsätzlich einig, es gibt jedoch ein paar sprachliche Probleme, weil wir den Vertrag, um Missverständnisse auszuschließen, sowohl in Deutsch als auch in Englisch abfassen müssen – und der ist 15 Seiten lang.

    Sie betonen immer wieder, nur das ausgeben zu wollen, was der Verein vorher eingenommen hat. Wie ernst ist die finanzielle Situation?

    Schwalb: Wir hatten zuletzt ein paar Liquiditätsengpässe, weil am Saisonende zugesagte Gelder von Sponsoren ausstanden. Das Problem ist behoben. Wir sind inzwischen so gut und breit aufgestellt, dass ich fest davon ausgehe, dass wir in den nächsten zwei Jahren in keine finanziellen Nöte mehr geraten werden.

    Warum dann diese Zurückhaltung auf dem Transfermarkt?

    Schwalb: Solidität hat bei uns oberste Priorität. Wir haben niemanden mehr, der mal eine Million auf den Tisch legt und fragt: Wen wollt ihr denn heute haben? Und das ist auch gut so. Wir müssen für jeden Cent hart arbeiten und werden deshalb kein Risiko eingehen. Der Spieler, der allein den Klassenerhalt oder den Aufstieg garantiert, den gibt es ohnehin nicht.

    Aber vielleicht einen, der die Chancen darauf erhöht.

    Schwalb: Noch mal zum Mitschreiben: Bei uns wird es keine Kurzschlussreaktionen geben. Wir wollen hier noch in zehn Jahren großen Spaß an unserem kleinen Handballverein haben.

    Dafür würden Sie auch einen möglichen Abstieg in Kauf nehmen?

    Schwalb: Ja. Handelten wir anders, wäre das mittelfristig ein Abstieg auf Raten.

    Widerspricht diese Zurückhaltung bei sportlichen Zielen nicht Ihrem Masterplan?

    Schwalb: Wir sind ein Leistungssportverein, ja! Und wir setzen uns nach oben hin keine Grenzen: Bundesliga, Champions League, das sind alles unsere Ziele. Nur pappen wir diesmal keine Jahreszahlen dran. Diese Ambitionen sind ja unsere einzige Existenzberechtigung. Hamburg braucht nicht den x-ten Breitensportverein, davon hat die Stadt genug. Wir stehen für Leistung, wollen Talenten optimale Spielmöglichkeiten bieten und das Hamburger Publikum mit gutem Handball begeistern. Mehr Spitzensport täte der Sportstadt Hamburg durchaus gut. Für diesen Weg haben wir in den vergangenen Jahren schon große Unterstützung erhalten, aber für ganz nach oben reicht der Zuspruch bislang nicht.

    Welche Rolle spielt bei der Sponsoren­akquise die zwiespältige Vergangenheit des einstigen HSV Handball?

    Schwalb: Das war ja lange eine ruhmreiche Zeit, mit nationalen und internationalen Titel und vollen Hallen. Die zeigt, was in Hamburg möglich ist. Die Insolvenz der Spielbetriebsgesellschaft der damaligen Bundesligamannschaft im Januar 2016 wirft bei dem einen oder anderen potenziellen Partner natürlich Fragen auf. Aber die können wir alle guten Gewissens beantworten. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren bewiesen, dass man unserer neuen Vereinsführung vertrauen kann.

    Welche Rolle spielen Sie dabei?

    Schwalb: Ich bin Zweiter Vorsitzender, Sportchef, bringe mein Netzwerk ein, spreche, wenn gewünscht, mit Sponsoren. Es gibt bei uns in diesem Sinne keine Chefs, wir haben eine flache Hierarchie, lösen unsere Aufgaben im Team. Das hat bislang hervorragend funktioniert.

    Wie schätzen Sie die Stärke der Zweiten Liga ein?

    Schwalb: Von 20 Mannschaften steigen fünf ab, die Hälfte der Vereine wird um den Klassenerhalt kämpfen. In der Liga gibt es Bundesliga-Absteiger, die sofort wieder nach oben wollen, dazu jedes Jahr weitere zwei bis drei hoch ambitionierte Teams. Dann natürlich noch ehemalige deutsche Meister wie TuSEM Essen, unseren Gegner im Weihnachtsspiel am 23. Dezember, oder eben uns. Das sportliche Niveau ist schwer einzuschätzen. Wir trauen uns das zu, werden sicherlich auch mal hinfallen und Spiele verlieren. Aber dann wieder aufstehen und dagegenhalten.

    Sie kalkulieren momentan mit einem Etat von unter zwei Millionen Euro. Wo ordnen Sie dieses Budget in der Liga ein?

    Schwalb: Die meisten Zahlen sind nicht vergleichbar. Einige Vereine dürfen ihre Hallen umsonst nutzen, Spieler sind bei Sponsoren angestellt, mal ist die Geschäftsstelle eingerechnet, mal nicht. Wir müssen in der Sporthalle Hamburg zwar nicht den vollen Mietpreis zahlen, wir haben aber bei unseren Heimspielen für Partner und Sponsoren ein Umfeld geschaffen, das einiges kostet. In der nächsten Saison werden wir unseren dritten VIP-Raum eröffnen. Dazu kommt: Hamburg ist nicht gerade billig. Von Spielern hören wir immer wieder: „Klar, Hamburg ist eine schöne Stadt, wir würden gern beim HSV spielen, aber die Wohnungsmieten bei euch ...“ Das heißt im Endeffekt, die Spieler sind für uns teurer als anderswo. Und wissen Sie was: Wir haben 19 Auswärtsspiele, alle Begegnungen werden im Livestream übertragen, und dafür erhalten wir gerade mal 25.000 Euro. Das ist schon ein mühsames Geschäft, aber wenigstens steht jetzt wieder Bundesliga davor.

    Die Fans haben Ihnen in den vergangenen zwei Jahren die Treue gehalten, es wurden immer mehr. Kommen die auch, wenn es statt Siege Niederlagen geben sollte?

    Schwalb: Da habe ich keinen Zweifel. Wer sich die Dritte Liga „antut“, der ist mit Freuden in der Zweiten Bundesliga dabei.

    Wie schwer fällt es Ihnen, nur dabei zu sein und nicht mehr mittendrin? Wird es den Trainer Marin Schwalb nie mehr geben?

    Schwalb: Ich habe meine Aufgabe gefunden, die mir sehr viel Spaß macht. Man sollte bekanntlich nie nie sagen. Handballtrainer ist mein Beruf, den gibt man nicht so einfach auf. Ich hatte in der Vergangenheit auch einige interessante Angebote, momentan schließe ich ein Engagement jedoch aus. Aber wer weiß, was das Leben für Überraschungen mit sich bringt.