London. Jan-Lennard Struff hat sich in einem Marathon-Match erstmals in die dritte Runde eines Major-Turniers gekämpft.

Die ersten sechs Spiele des ersten Satzes waren absolviert, als dem geneigten Beobachter die Lösung für das zu erwartende Dilemma dämmerte. Jan-Lennard Struff und Ivo Karlovic hätten sich darauf einigen sollen, den jeweils anderen aufschlagen zu lassen und ihm dabei von der Bank zuzuschauen. Das hätte Kraft gespart bis zum jeweiligen Tiebreak, den man alternativ auch sofort hätte ausspielen können. Denn letztlich waren die Aufschlagspiele alle nach demselben Muster abgelaufen. Ball hochwerfen, draufprügeln, dem satten Plopp des Balles auf dem Rasen oder dem Flattern des Netzes nach verschlagenem Return nachhorchen – und das Ganze wieder von vorn beginnen. Wer sich dieses Match, das nur vereinzelt aus Ballwechseln bestand, als Zuschauer freiwillig antat, musste schon sehr große Zuneigung zu einem der Protagonisten verspüren.

Dankbar musste man sein für die 1963 ausgeheckte und 1970 in die Tennisregeln aufgenommene Idee des US-Amerikaners Jimmy van Alen, Sätze beim Stand von 6:6 durch ein Tiebreak entscheiden zu lassen, ansonsten würden Struff und Karlovic wohl auch heute noch auf Court 15 an der Church Road stehen. Da es allerdings in Wimbledon im fünften Satz aus Gründen der Tradition keinen Tiebreak gibt, dauerte es 3:55 Stunden, ehe – welch Ironie der Geschichte – Karlovics sechster Doppelfehler die Zweitrundenpartie entschied. 6:7 (5:7), 3:6, 7:6 (7:4), 7:6 (7:4) und 13:11 hieß es aus Sicht des 28 Jahre alten Warsteiners, was diesem am Freitag ein Centre-Court-Rendezvous mit Roger Federer (36) verschafft. Der Schweizer Titelverteidiger ließ dem Slowaken Lukas Lacko (30/Nr. 73 der Welt) beim 6:4, 6:4, 6:1 keine Chance.

„Es war ein hartes Match. Ich habe gespürt, dass irgendwann auch die Konzentration nachließ. Aber ich wusste, als der fünfte Satz begann, dass er es schwerer haben würde, mich zu breaken, als ich ihn“, sagte Struff. Der Weltranglisten-64. hatte in seinem Erstrundenmatch gegen den Argentinier Leonardo Mayer ebenfalls einen Zweisatzrückstand noch umgebogen. Gegen den kroatischen 2,10-Meter-Aufschlagriesen, der 61 Asse – und damit 30 mehr als Struff – abfeuerte, war das nur möglich, weil der 39-Jährige, der in der Weltrangliste auf Rang 112 geführt wird, mit zunehmender Spieldauer müde wurde. Chancen, Karlovic den Aufschlag abzunehmen, gab es wenige; und die fünf, die Struff vor dem verhängnisvollen Doppelfehler hatte, wusste er nicht zu nutzen. Was ihn aber auszeichnete, waren der Siegeswille und die Fähigkeit, bei eigenem Aufschlag die Nerven zu behalten. Bis auf das Break zum 3:5 im zweiten Satz brachte Struff sein Service zumeist souverän durch.

Struff freut sich auf Federer

„Ich glaube, dass mir die Erfahrung, auch gegen Mayer das Spiel nach 0:2 Sätzen gedreht zu haben, geholfen hat. Ich habe nach dem dritten Satz gespürt, dass der Sieg möglich war“, sagte er. Natürlich sei es anstrengend, so viele Asse kassieren zu müssen. „Aber ich wusste, dass das so kommen würde. Deshalb konnte ich während des gesamten Matches auch einigermaßen ruhig bleiben.“ Seine ruhige Art sei allerdings nicht immer hilfreich. „Ich fand, dass ich besonders im zweiten Satz zu ruhig war. Später habe ich mich körperlich mehr gepusht, und dann war ich besser im Match.“

Besonders glücklich war der Daviscupspieler über den Fakt, das zweite Grand-Slam-Duell mit Federer nach dem Zweitrundenmatch im Januar bei den Australian Open erreicht zu haben. „Als ich die Auslosung gesehen hatte, habe ich mir dieses Match gewünscht. Entsprechend groß ist jetzt die Vorfreude darauf. Ich spiele gegen den größten Spieler aller Zeiten, hoffentlich auf dem Centre-Court. Das wird ein Highlight meiner Karriere.“ Und sollte er nach zwei Sätzen 0:2 zurückliegen? „Dann werde ich kurz schmunzeln und weiter an mich glauben.“