London. Titelkandidaten Angelique Kerber und Alexander Zverev lösen in Wimbledon ihre Auftaktaufgaben souverän

    Der Klimawandel, er macht auch vor den All England Championships nicht halt. Dass männliche Tennisprofis in Wimbledon einfordern würden, ebenso wie die Damen eine Hitzepause zwischen dem zweiten und dritten Satz einlegen zu dürfen, hätte man kaum für möglich gehalten angesichts eines englischen Sommers, der stets als so verregnet galt wie der norddeutsche. Die gute Nachricht am zweiten Turniertag war, dass die deutschen Asse bei 28 Grad im Schatten – der auf keinem Platz zu finden war – cool blieben. Sowohl Angelique Kerber (30/Kiel), die sich gegen die Russin Wera Zwonarewa innerhalb von 83 Minuten 7:5, 6:3 durchsetzte, als auch der Hamburger Alexander Zverev (21), der gegen den Australier James Duckworth für sein 7:5, 6:2, 6:0 sieben Minuten länger brauchte, konnten Kraft sparen für den Traum, der sie eint: Ende der kommenden Woche die Siegerpokale zu stemmen.

    „Es war kein einfaches Match, weil der Wind recht stark war. Es war ein Auf und Ab, aber letztendlich bin ich zufrieden mit meiner Leistung“, sagte Kerber, Wimbledon-Finalistin von 2016, die nur selten ihre ganze Klasse abrufen musste. Zwonarewa, eine von sechs im Hauptfeld gestarteten Müttern, hatte 2010 das Wimbledon-Finale gegen Serena Williams (USA) verloren, im selben Jahr auch bei den US Open das Endspiel erreicht und war dadurch auf Rang zwei der Weltrangliste geklettert. Diese Zeiten sind lange vergangen. Nach der Geburt ihrer ersten Tochter hatte die 33-Jährige 2016 ihre Karriere beendet, war im Frühjahr 2017 jedoch auf die Tour zurückgekehrt. In London schaffte die Ranglisten-142. nun über die Qualifikation ihre erste Grand-Slam-Teilnahme seit Januar 2015.

    Um einzuschätzen, ob Kerber in den britischen Medien zu Recht als Geheimfavoritin gehandelt wird, war Zwonarewa freilich nicht stark genug. Mehr Aufschluss könnte das Zweitrundenmatch am Donnerstag geben, in dem die 18 Jahre alte US-Qualifikantin Claire Liu wartet, die im vergangenen Jahr in Wimbledon das Juniorinnenturnier gewann. „Ich kenne sie nicht, werde mir am Mittwoch mit meinem Team ein paar Videos anschauen und die Taktik zurechtlegen“, sagte Kerber.

    Grundsätzlich will sich die Weltranglistenzehnte allerdings nicht allzu sehr nach der Gegnerin richten. „Mir geht es darum, mein Spiel zu machen und mich auf meine Stärken zu konzentrieren“, sagte sie. Der Halbfinaleinzug bei der Generalprobe in Eastbourne in der vergangenen Woche habe sie darin bestärkt, in der für Großtaten nötigen Rasen-Form zu sein.

    Zverevs Aufgalopp war angesichts der Unterlegenheit seines Gegners ein noch größeres Muster ohne Wert. Duckworth, der bei einem Grand-Slam-Turnier noch nie über die zweite Runde hinausgekommen ist, hatte wegen einer Fußoperation die gesamte Saison 2017 verpasst und ist dadurch in der Weltrangliste auf Rang 748 abgestürzt. Das Wimbledon-Hauptfeld erreichte der 26-Jährige dank der Protected-Ranking-Regel, die es verletzten Spielern erlaubt, einen vor der Pause belegten Rang „einzufrieren“ und zur Teilnahme an ausgewählten Turnieren geltend zu machen.

    Dennoch war der Weltranglistendritte mit seiner Leistung durchaus zufrieden. „Ich habe nicht viel auf Rasen gespielt, deshalb war es klar, dass ich etwas Zeit brauchte, um reinzufinden. Aber im zweiten und dritten Satz habe ich sehr gut gespielt“, sagte der Hamburger, der am Donnerstag in seinem Zweitrundenduell von Taylor Fritz mehr Gegenwehr erwartet. Den ein halbes Jahr jüngeren US-Amerikaner kennt Zverev, der Fritz als „sehr unangenehm“ bezeichnete, bereits aus Juniorenzeiten. Doch auch wenn Zverev über seine Ambitionen am Dienstag nicht reden wollte („Mich interessiert nur das nächste Match“), dürfte der Ranglisten-68. keine zu hohe Hürde auf dem Weg in die zweite Woche darstellen.