Moskau/Samara.

    Am Morgen nach der Sensation gab es Erklärungsbedarf. Als „ein Wunder“, beschrieb die russische „Gazeta“ den 5:4-Sieg der Sbornaja gegen Spanien nach Elfmeterschießen und lieferte der ungläubigen Nation eine schlüssige Deutung: „Russland hat Fußballgeschichte geschrieben. Denn Russland wird vom Oberlippenbart getragen.“ Der Oberlippenbart saß am Vorabend mit einem entspannten Lächeln auf dem Podium im Luschniki-Stadion und mahnte Gelassenheit an. „Meine Gefühle sind leicht zu beschreiben“, sagte Stanislaw Tschertschessow. „Ich denke schon an das nächste Spiel. Ich hoffe, dass wir noch ein paar Partien haben werden. Dafür muss ich mir meine Emotionen ja noch aufheben.“

    Die zur Show getragene Lässigkeit darf man als gekonnte Schauspielerei des russischen Nationaltrainers abtun. Denn natürlich wusste auch der Hauptverantwortliche des „Fußballmärchens“ („Argumenti i fakti“), dass er und seine Mannschaft schon jetzt in die Historie eingegangen sind. Doch Tschertschessow (54) wäre nicht Tschertschessow, wenn ihm die Geschichte von Russlands erstmaligen Viertelfinaleinzug bei einer WM reichen würde. „Was die Fitness angeht, können wir noch ein bisschen zulegen“, sagte der Coach, der sich nach dem Sieg gegen Spanien auch Chancen im Viertelfinale am Sonnabend gegen Kroatien ausrechnet. „Ich glaube, dass das erst der Anfang war.“

    Natürlich ist Russland auch gegen die Kroaten Außenseiter. Aber das war der WM-Gastgeber auch gegen Spanien. „Die Spanier sind in so vielem besser als wir“, erkannte Tschertschessow nach der Partie an und erklärte: „Wir mussten uns einen guten Plan überlegen.“ Spaniens Passmaschine durfte sich im Mittelfeld den Ball fröhlich hin und her schieben, doch ab dem Strafraum ließ Russland erneut den eisernen Vorhang runter, wie es Englands Fußballlegende Gary Linneker (57) scherzhaft via Twitter formulierte.

    Ob Russland zum Kroatien-Spiel nun einen neuen Plan ausarbeitet, wollte Tschertschessow nicht verraten. Auf Unterstützung weit über dem Irdischen hinaus darf sich der Trainer aber gewiss sein. „Hurraaaa!“, schrieb Raumfahrer Oleg Artemjew von der Internationalen Raumstation nach dem Elfmeterschießen bei Twitter. „Das ist ein historischer Sieg.“ Ein Erfolg, der fast in die Kategorie „nicht von dieser Welt“ fällt.