Rostow am Don. In der vierten Minute der Nachspielzeit erzielte Nacer Chadli das Tor zum 3:2-Sieg – nun im Viertelfinale gegen Brasilien

    17 Sekunden vor dem Ende des Spiels war die historische Aufholjagd perfekt, danach lagen sich die belgischen Spieler freudetrunken und erleichtert in den Armen: Der Mitfavorit zitterte, schwankte bedrohlich und zog nach einem 0:2 doch noch ins Viertelfinale ein. Aufgrund einer Energieleistung in der letzten halben Stunde bezwang der ewige Geheimfavorit den krassen Außenseiter Japan mit 3:2 (0:0). „Das war ein Test für das Team, für seinen Charakter. Wir haben ihn bestanden. Wir sind weiter, das ist das Wichtigste“, sagte Trainer Roberto Martinez.

    Einen Zwei-Tore-Rückstand in einer K.-o.-Runde hatte zuletzt Deutschland beim legendären 3:2 in Mexiko 1970 gegen England aufgeholt. Franz Beckenbauer, Uwe Seeler mit dem Hinterkopf und Gerd Müller sorgten damals für den Sieg. Ihre belgische Erben heißen Jan Vertonghen (69.), Marouane Fellaini (74.) und Nacer Chadli (90.+4). Das Trio drehte die Partie nach den Toren durch Genki Haraguchi von Hannover 96 (48.) und den früheren Bundesligaspieler Takashi Inui (52.) und wendete so den nächsten Favoritensturz in Russland ab.

    Am Freitag (20 Uhr) gegen Rekordweltmeister Brasilien müssen sich die Roten Teufel jedoch vor allem in der Defensive mächtig steigern, um erstmals seit 1986 wieder in ein WM-Halb­finale einzuziehen. Die Vorstellung erinnerte über weite Strecken kaum an die Auftritte in der Vorrunde, es hatte den Anschein, dass die vielen Wechsel im sportlich wenig bedeutenden Spiel gegen England (1:0) die Belgier aus dem Tritt gebracht hatten.

    Trainer Martinez rotierte gegen Japan zurück, brachte wieder den viermaligen Torschützen Romelu Lukaku und all die anderen Stars und musste trotzdem lange bangen. Die Dreierkette, in der Abwehrchef Vincent Kompany sein Startelfdebüt in Russland gab, war zu häufig zu anfällig.

    Belgien hatte Probleme mit den flinken Japanern, die mit dem Bundes­ligatrio Shinji Kagawa (Dortmund), Yuya Osako (Bremen) und Haraguchi zu Beginn mutig anrannten. Selbst fanden die Belgier meist kaum eine Lücke. Eden Hazard (27.) scheiterte an Keeper Eiji Kawashima und Kompany (28.) verpasste nach einer Flanke.

    Die Japaner, die sich durch Fair-Play-Entscheid gegen den Senegal durchgesetzt hatten, kamen erst wieder durch Kagawa und Inuis anschließenden Kopfball (31.) vor das belgische Tor – und hatten doch vor der Pause die größte Chance. Osako lenkte einen Schuss von Yuto Nagatomo aufs Tor, Belgiens Keeper Thibaut Courtois ließ den Ball durch die Beine kullern, bekam ihn aber noch vor der Linie zu fassen.

    Auf der Tribüne atmete Jean-Marie Pfaff auf, der 1986 in Mexiko beim bislang einzigen Halbfinaleinzug der Belgier im Tor stand, und musste sich doch wenig später richtig Sorgen machen. Haraguchi nutzte Vertonghens Zögern, dann traf Inui. Der Doppelschock war den Belgiern deutlich anzumerken, es dauerte bis zur 62. Minute, ehe es wieder gefährlich wurde. Lukaku köpfte aus vier Metern jedoch vorbei. Vertonghen gab mit einer Kopfball-Bogenlampe aus schier unmöglichem Winkel das Signal zur Wende. Nach dem Ausgleich durch Fellaini erlöste der eingewechselte Chadli die Belgier.

    Belgien: Courtois - Alderweireld, Kompany, Vertonghen – Meunier, De Bruyne, Witsel, Carrasco (65. Chadli) – Mertens (65. Fellaini), E. Hazard – Lukaku.
    Japan: Kawashima – H. Sakai, Yoshida, Shoji, Nagatomo – Hasebe, Shibasaki (81. Yamaguchi) – Haraguchi (81. Honda), Kagawa, Inui – Osako.
    Tore: 0:1 Haraguchi (48.), 0:2 Inui (52.), 1:2 Vertonghen (70.), 2:2 Fellaini (74.), 3:2 Chadli (90.+4). Z.: 41.466. SR: Diedhiou (Senegal). Gelb: Shibasaki. Statistik: Torschüsse: 24:10, Ballbesitz: 56:44 %, Zweikämpfe: 88:71.