Was macht man eigentlich, wenn man als deutscher Journalist bei der Weltmeisterschaft in Russland im ganzen Land unterwegs ist, aber nicht über das deutsche Team berichtet? Natürlich trotzdem irgendwie irgendwo das Spiel der Löw-Mannschaft schauen. Im Hotel, in einem Restaurant – oder eben im vollen Medienraum des Spartak-Stadions in Moskau, wo direkt danach Brasilien gegen Serbien spielt.

    Das Schöne an dieser Konstellation ist, dass man nicht alleine guckt. Das weniger Schöne ist, dass eine ganze Armada von brasilianischen Journalisten alle verfügbaren Daumen drückt, dass Deutschland eben nicht gewinnt, sondern gegen Südkorea verliert und ausscheidet. Das ist so, als ob man als HSV-Journalist im Presseraum des Bremer Weserstadions das entscheidende Spiel im Kampf um den Klassenerhalt schaut.

    Wobei der Vergleich hinkt. Denn im brasilianischen Medientross gibt es eine ganze Reihe von Kollegen, die einem über die Jahre sehr ans Herz gewachsen sind. Besonders nach der wunderschönen WM 2014 in Brasilien. Gerne erinnert man sich an das Campo Bahia, wo die Deutschen damals wohnten. An Flanke Schürrle und Volley Götze. Und natürlich an dieses sensationelle 7:1 im Halbfinale in Belo Horizonte gegen – genau – Brasilien. Ach ja ...

    Als das wahrscheinlich unglaublichste WM-Spiel aller Zeiten damals abgepfiffen wurde, kamen viele der brasilianischen Kollegen auf mich zu und gratulierten. Mein Einwand, dass ich relativ begrenzten Einfluss auf dieses Wunderspiel hatte und eigentlich auch nicht wirklich auf dem Rasen stand, wurde einfach nicht akzeptiert. „Ganz Deutschland hat heute Brasilien überrollt“, sagte mir ein Kollege.

    Und wenn man nun vier Jahre später darüber noch mal nachdenkt, dann kommt man auch relativ schnell darauf, warum die Brasilianer diesmal eben nicht dem DFB-Team die Daumen drückten. Es ist ganz einfach die höchste Form des Respekts. Die Sorge, im Achtelfinale auf Deutschland zu treffen, war gestern Nachmittag jedem Brasilianer ins Gesicht geschrieben.

    Bis zum Anpfiff. Und noch ein bisschen länger. Beim Abpfiff gab es zunächst brasilianischen Jubel. Und dann ganz, ganz viel Mitleid. Tschüssikowski, liebe Brasilianer.