Moskau. Kein Deutscher kennt die Red Devils so gut wie der Hamburger Thies Bliemeister

    Über das genaue „Wann“ und vor allem „Wo“ konnte danach kein Südkoreaner eine verlässliche Auskunft erteilen. Es muss irgendwann und irgendwo in luftiger Höhe zwischen Rostow am Don und St. Petersburg gewesen sein, als die gute Nachricht von Deutschlands Last-Minute-Tor im Flugzeug der Koreaner die Runde machte. „Als wir in den Flieger gestiegen sind, waren wir unglaublich enttäuscht. Kaum jemand hat geredet, denn wir waren sicher, dass wir ausgeschieden waren. Als wir dann an Bord die Nachricht vom 2:1 bekommen haben, waren wir glücklich, geradezu euphorisch“, berichtet Linksverteidiger Hong Chul, „denn aus null Prozent Chance war auf einmal ein Prozent Chance geworden.“

    Sehr viel größer schätzt auch Thies Bliemeister die Chancen der „Red Devils“ im Spiel gegen den Weltmeister nicht ein. Der Hamburger hat als Chef der Berateragentur Sports United GmbH gleich sechs Koreaner, darunter die Topstars Heung-Min Son und Hee-Chan Hwang, in seinem Portfolio. „Selbstverständlich kann Südkorea auch Deutschland wehtun. Gerade in der Offensive hat das Team große individuelle Klasse“, sagt Bliemeister, schränkt aber ein: „Als Gesamtmannschaft ist Deutschland der krasse Favorit.“

    Vor zehn Jahren hat Bliemeister, dessen Vater Thomas früher für den HSV gespielt hat, den Markt Südkoreas für sich entdeckt. 2008 vereinbarte der damals 30 Jahre alte Nachwuchsberater mit dem südkoreanischen Verband ein Austauschprogramm. Sechs koreanische Talente sammelten in Deutschland Erfahrungen, drei in Hamburg und drei in Nürnberg. Fünf dieser sechs Youngster konnten sich nicht nachhaltig durchsetzen – doch ein Talent ging regelrecht durch die Decke: Son.

    Der mittlerweile wertvollste Fußballer Asiens (Marktwert: 50 Millionen Euro) war für Bliemeister der Türöffner. Gemeinsam mit Sons Vater Woong-Jung Son gründete Bliemeister sogar eine Fußballakademie in Südkorea. „Das Potenzial im Land ist groß. Allerdings ist der Abstand zu den Topnationen auch noch sehr groß“, sagt der Hobbyfußballer von Victoria Hamburg.

    Neben Son, der längst den internationalen Durchbruch bei Tottenham Hotspur geschafft hat, gilt Bliemeister-Klient Hwang (Marktwert: zehn Millionen Euro) als nächster Exportschlager Koreas. Dortmund soll im Frühjahr Interesse am Noch-Salzburger gehabt haben, zuletzt beschäftigte sich auch RB Leipzig mit dem schnellen Offensivallrounder. Ein Tor gegen Deutschland – und schon könnte der Marktwert des 22-Jährigen über Nacht explodieren.

    Das weiß natürlich auch Bliemeister. Der Spielerberater macht deswegen auch kein Geheimnis daraus, dass am Mittwoch gleich zwei Herzen in seiner Brust schlagen. Allzu viele Gedanken braucht sich der Agent über die Ein-Prozent-Chance allerdings wohl nicht zu machen. Die „Tigers of Asia“ hätten bei einem Sieg mit zwei Toren Unterschied und einer Niederlage Schwedens gegen Mexiko zwar eine theoretische Chance. Aber ganz praktisch ist seit der Aufstockung auf 32 Teams 1998 noch nie ein Team weitergekommen, das die ersten zwei Spiele verloren hatte.