Nischni Nowgorod. Kroatiens Mannschaft ist nach dem 3:0 gegen Argentinien kein Geheimfavorit mehr. Die Spieler um Kapitän Luca Modric glauben an sich

    Mario Mandzukic ging grinsend ab, ein einschüchternder Kerl von Fußballer, zufrieden mit den geleisteten Lastendiensten. Von Beginn an hatte er die Gegner im Grenzbereich beharkt, aber doch erst nach einer Stunde die Gelbe Karte gesehen. Bald darauf war dann alles entschieden durch den historischen 3:0-Sieg seiner Kroaten. Der Achtelfinaleinzug war perfekt. Danach war zu Recht die Rede von Luka Modric, dem überragenden Spielmacher, der ganze Abwehrreihen aushebeln kann und mit seinem Tor zum 2:0 ein Kunstwerk hinterließ. Aber dass es überhaupt so weit kam, dass die Kroaten am Ende gar über den Platz schwebten, daran hatte auch Mandzukic seinen Anteil. Er brachte die Partie auf die Ebene von Mentalität und Behauptungswillen – eben dorthin, wo Argentinien am anfälligsten war.

    Es ist diese Mischung aus Modric und Mandzukic, aus Klasse und Wettkampfhärte, die Kroatien zur Aufführung brachte – und die es jetzt plötzlich in aller Munde bringt als vielleicht mehr als nur einen Geheimfavoriten für dieses Turnier. Die Spieler scheinen diese Rolle problemlos anzunehmen. „Ich habe uns auf dem Platz als sehr mächtige Mannschaft wahrgenommen“, erklärte Außenverteidiger Sime Vrsaljko: „Wir gehören zu den stärksten Teams der Welt.“ Favorit? „Ich habe das vorher nicht gehört, aber ich höre es jetzt“, sagte Abwehrchef Dejan Lovren. „Gut so. Das heißt, dass uns die anderen fürchten.“

    Auf der anderen Seite ist das so neu ja alles nicht. Vor zwei Jahren bei der EM manövrierten sich die Kroaten mit einem Sieg gegen Titelverteidiger Spanien in eine ähnliche Situation, doch dann folgte das unglückliche Aus nach Verlängerung im Achtelfinale gegen Portugal. Kroatien hatte an jenem Abend in Lens sichtlich Mühe mit der Bürde, als gefühlter Favorit das Spiel zu machen und schon einzulösen, was Lovren nun auch in Nischni Nowgorod verkündete: „Wenn du dir die Aufstellung anschaust, haben wir bessere Spieler als vor 20 Jahren. Wir können noch weiter kommen“. Weiter als beim mythischen dritten WM-Platz 1998 mit Spielern wie Zvonimir Boban und Davor Suker.

    Ein zentrales Mittelfeld mit Modric, Ivan Rakitic und Marcelo Brozovic – einer wie Real Madrids Mateo Kovacic sitzt nur auf der Bank – wird bei diesem Turnier allenfalls noch die Spanier ausgleichen. Die Verteidigung stand gegen Argentinien zumeist solide, der Angriff mit dem Frankfurter Ante Rebic und Ivan Perisic als Ergänzung zu Mandzukic ist so agil wie mit seinem konstanten Pressing unangenehm. „Ich rechne immer mit Fehlern des gegnerischen Torwarts“, sagte Rebic zu Willy Caballeros Patzer vor seinem Führungstor: „Weil zu meinen Stärken gehört, ihn immer unter Druck zu setzen.“

    Ist man jetzt also weiter als 2016? Wo der damalige Trainer Ante Cacic umstritten war, lobten die Spieler nun unisono die taktische Arbeit des kaum bekannten Zlatko Dalic. Darüber hinaus scheint der Zusammenhalt besser denn je. Geradezu bewegt berichteten Veteranen wie Modric und Rakitic fast wortgleich von der aufopferungsvollen Verteidigungsarbeit im Team, die es Lionel Messi so schwer machte. „Wir haben ganz eng beieinander gestanden, einer hat auf den anderen aufgepasst“, sagte Rakitic. „So haben wir ihm die Passwege geschlossen. Jetzt tut der ganze Körper weh.“ Müde nach der langen Saison? „Auf dass es noch 1000 Kilometer mehr sein mögen. Kein Problem. Ich laufe für meine Mannschaft und für meine Leute.“

    Nichts scheint diese hochkarätige und erfahrene Gruppe aus dem Konzept zu bringen. Nicht mal die mafiösen Zustände im Verband, dessen langjähriger Vize Zdravko Mamic voriges Jahr einem Mordanschlag entging. Wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung wurde er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, vor deren Antritt er sich nach Bosnien-Herzegowina absetzte, wo er vergangene Woche festgenommen wurde. Mamic soll kräftig an den Karrieren von Lovren und Modric mitverdient haben; dass sich der Spielmacher während seiner Zeugenvernehmung widersprach, brachte ihm eine Anzeige wegen Falschaussage ein.

    Bei der WM herrschte Modric einen Reporter an, über diese Affäre werde er nicht sprechen. Und auch die Posse um Angreifer Nikola Kalinic, den Trainer Dalic wegen Verweigerung einer Einwechslung nach Hause geschickt hatte, spielte in Nischni Nowgorod keine Rolle mehr. Ohne Kalinic ist Mandzukic der einzige Mittelstürmer im Kader. Er sollte die Grenzen also lieber nicht überschreiten. Aber darin war er ja schon immer ein Meister.